Zum Hauptinhalt springen

Titelträume

Im Wortlaut,

Einsame Spitze


Um trotz Waffengleichheit die deutsche Überlegenheit zu gewährleisten, werden die Gebüsche nicht mitgeliefert © ddp images/Roland Geisheimer


Von G.A. Mierend

Die deutsche Rüstungsindustrie lieferte im vergangenen Jahr Gewehre und Maschinenpistolen im Wert von 76,15 Millionen Euro in alle Welt. Das hat das Wirtschaftsministerium auf eine Anfrage der LINKE-Bundestagsfraktion mitgeteilt.

Damit wurden mehr Kleinwaffen denn je ausgeführt, doppelt so viele wie 2011. Für Deutschland war das ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum neuerlichen Exportweltmeistertitel. Dank und Anerkennung gebühren nicht allein den Waffenschaffenden. Ohne die Bundesregierung und ihre Ausfuhrgenehmigungen wäre dieser schöne Erfolg nicht möglich gewesen.

Es gibt mehrere Gründe, warum Deutschland sich bei der Verbreitung automatischer Handfeuerwaffen engagiert: Erstens: Entgegen früherem Großmachtstreben entspricht es der neuen deutschen Bescheidenheit, sich auch mit Kleinwaffen abzugeben. Zweitens: Irgendeiner muss es ja machen – die einschlägige US-Industrie ist damit ausgelastet, die enorme Binnennachfrage abzudecken. Und drittens gehört es zum christlich-liberalen Gerechtigkeitsverständnis der Bundesregierung, allen Menschen die aktive Partizipation an militärischen Auseinandersetzungen zu ermöglichen – unabhängig von der materiellen Lage und technischen Vorkenntnissen. Kleinwaffen sind ein niedrigschwelliges, unkompliziertes Angebot an sozial schwache und bildungsferne Konfliktparteien, die sich Großwaffen wie »Leopard« oder »Euro-Hawk« nicht leisten können.

Selbstverständlich wird streng darauf geachtet, dass deutsche Kleinwaffen nicht missbraucht werden. Alle Heckler & Koch-Produkte sind durch den TÜV Rheinland nur für die Durchsetzung von Frieden, Demokratie und Menschenrechten zertifiziert. Andernfalls erlischt der Garantieanspruch. Die Benutzerhandbücher untersagen die Verwendung gegen Unschuldige mit unmissverständlichen Hinweisen wie: Only Fight The Evil, Please, Mr. Saudi! Oder: Make Paritätische Mitbestimmung With This Gun, Not War!

Aus ökologischen Gründen sind die Verbraucher gehalten, Gefechtsmüll nicht achtlos liegen zu lassen, sondern dem Wertstoff-Recycling zuzuführen. Das Bundesumweltministerium hilft Krisengebieten beim Aufbau eines Patronenhülsenpfandsystems.

Damit deutsche Waffen trotz aller Vorsicht nicht in die Händen von Kindersoldaten gelangen, hat die Freiwillige Selbstkontrolle der Rüstungswirtschaft beschlossen, diese Produkte nicht für Jugendliche unter 18 Jahren freizugeben. Alle in Deutschland hergestellten Maschinenpistolen tragen das von Filmen und Computerspielen bekannte rote Logo, und wer eine haben will, muss an der Kasse seinen Ausweis zeigen.

Zusätzlich müssen die Interessenten ihre Demokratietauglichkeit nachweisen: In den beigelegten Fragebögen – eine Kurzfassung des CDU-Grundsatzprogramms – sind die Begriffe Freiheit, Demokratie sowie christliches Menschenbild zu unterstreichen. Die Auswertung des Tests erfolgt aus datenrechtlichen Gründen anonymisiert.

Auch für den unwahrscheinlichen Fall, dass deutsche Waffen irgendwann einmal doch gegen deutsche Truppen gerichtet würden, ist vorgesorgt: Das im Ausland stark nachgefragte G36 beispielsweise verfügt über ein pfiffiges Extra: Das Sturmgewehr wird nämlich – Experten zufolge – bei längeren Schusswechseln extrem heiß und trifft dann nur noch ungenau. Die ebenfalls mit G36 ausgerüsteten Bundeswehrsoldaten müssen ihre Gegner also einfach so lange in Feuergefechte verwickeln, bis beide Seiten nur noch aneinander vorbeischießen. Dann können endlich Broschüren der Bundeszentrale für politische Bildung verteilt werden, und der Kampf ist entschieden.

linksfraktion.de, 29. Mai 2013