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Teilhabe an allgemeiner Lohnentwicklung sicherstellen

Nachricht von Matthias W. Birkwald,

Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, hat die Mitglieder des Bundestages in einem offenen Brief aufgefordert, das Problem der drohenden Altersarmut endlich in Angriff zu nehmen. "Vor allem die Kürzungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel haben dazu geführt, dass Rentnerinnen und Rentner in den zurückliegenden Jahren zunehmend von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt wurden", argumentiert Bauer. Diese Kürzungen und "der ausufernde Niedriglohnsektor sind zentrale Ursachen für die permanenten Kaufkraftverluste, denen Rentnerinnen und Rentner seit vielen Jahren ausgesetzt sind." Rentenexperte Matthias W. Birkwald erläutert in seiner Antwort für DIE LINKE ihren rentenpolitischen Dreiklang aus guter Arbeit, guten Löhnen und guter Rente.

An den
Präsidenten des
Sozialverbandes Deutschland - SoVD
Herrn Adolf Bauer
Stralauer Straße 63

10179 Berlin
Berlin, 13.08.2010

Ihr Offener Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundestages vom 30.07.2010

Sehr geehrter Herr Bauer,
herzlichen Dank für Ihren Offenen Brief zur Rentenpolitik, auf den ich Ihnen auch im Namen der Fraktion DIE LINKE im Bundestag sehr gerne antworte. Meine Kolleginnen und Kollegen und insbesondere ich als rentenpolitischer Sprecher der Fraktion haben uns sehr über Ihre klaren Worte und vor allem auch über die Tatsache gefreut, dass die Richtung und die Positionen des SoVD und der LINKEN in der Rentenpolitik sich weitgehend decken.

Die gesetzliche Rentenversicherung muss den Lebensstandard sichern und vor Altersarmut schützen. „Gute Arbeit - gute Löhne - gute Rente“ lautet der rentenpolitische Dreiklang der Partei DIE LINKE. Die LINKE stimmt Ihnen ausdrücklich zu, wenn Sie feststellen, dass eine solidarische Alterssicherungspolitik sowohl über den Arbeitsmarkt als auch über die gesetzliche Rentenversicherung gestaltet werden muss. Der zunehmende Verlust des einmal Erreichten und die wachsende Armut im Alter sind Folgen einer falschen Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik.

In den vergangenen zehn Jahren haben die Bundesregierungen nach dem Motto „Jede Arbeit ist besser als keine Arbeit“ den Niedriglohnsektor massiv ausgebaut und gleichzeitig die gesetzliche Rentenversicherung zu Gunsten einer weder wünschenswerten noch für die Einzelnen wirksamen privaten Alterssicherung demontiert. Mini-Jobs, Leiharbeit, Ein-Euro-Jobs und die Kürzungsfaktoren in der Rentenformel (insbesondere Riester-Faktor und Nachholfaktor, aber auch der Nachhaltigkeitsfaktor) sowie die Rente erst ab 67 sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Sehr geehrter Herr Bauer, Sie können sicher sein, dass die Fraktion DIE LINKE im Bundestag die rentenpolitischen Forderungen des SoVD aus voller Überzeugung unterstützt. In der laufenden Legislaturperiode haben wir bereits entsprechende Anträge in den Bundestag eingebracht, die jedoch sowohl von den Regierungsfraktionen als größtenteils auch von den anderen Oppositionsfraktionen abgelehnt worden sind:

DIE LINKE setzt sich arbeitsmarkpolitisch für gute Arbeit ein (Drs. 17/1396). Gute Arbeit gibt es nur in sicheren, geregelten, geschützten und vor allem auch Existenz sichernden Beschäftigungsverhältnissen, die Frauen und Männern gleichermaßen und zu gleichen Bedingungen offen stehen (Drs. 17/891). Deshalb setzen wir uns unter anderem dafür ein, Leiharbeit strikt zu begrenzen (Drs. 17/426) und die Befristung von Arbeitsverhältnissen einzudämmen (Drs. 17/1968). Ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von zehn Euro ist für DIE LINKE eine Mindestbedingung guter Arbeitsmarktpolitik (Drs. 17/890). Wir wollen Langzeitarbeitslosigkeit und nicht Langzeiterwerbslose bekämpfen. Deswegen steht die DIE LINKE für eine gute öffentlich geförderte Beschäftigung (Drs. 17/1397) und fordert, das restriktive, strafende und auf Lohndumping zielende System Hartz IV abzuschaffen und durch eine sanktionsfreie, bedarfsdeckende Mindestsicherung zu ersetzen (Drs. 17/659).

Gute Arbeit und gute Löhne führen nur dann zu einer guten Rente, wenn die gesetzliche Rentenversicherung endlich wieder so gestaltet wird, dass sie vor sozialem Abstieg ebenso wie vor Armut schützt. Die Bunderegierungen der vergangenen zehn Jahre haben dieses Ziel der Beitragssatzstabilität geopfert. Diese falsche politische Weichenstellung muss korrigiert werden. Deswegen fordert DIE LINKE, die Kürzungsfaktoren in der Rentenformel zu streichen (Drs. 17/1145) und den Schutz bei Erwerbsminderung umfassend zu verbessern (Drs. 17/1116). Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE „Beschäftigungssituation Älterer, ihre wirtschaftliche und soziale Lage und die Rente ab 67“ (Drs. 17/2271) dokumentiert umfassend und eindeutig, dass die Rente erst ab 67 nichts anderes als ein groß angelegtes Rentenkürzungsprogramm ist. Die Regelaltersgrenze auf 67 anzuheben war und ist falsch. Deswegen muss sie ohne Wenn und Aber zurück genommen werden. Denn niemand darf bestraft werden, weil die Wirtschaft keinen adäquaten Arbeitsplatz für sie oder ihn bietet. Das gilt für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso wie für Langzeiterwerbslose. Im Zuge des so genannten „Sparpakets“ will die Bundesregierung den bisher für Langzeiterwerbslose an die Rentenkasse gezahlten Beitrag wegkürzen. Dieser Beitrag zur Rentenversicherung ist systematisch unter Beteiligung oder Zustimmung von CDU/CSU und FDP gesenkt worden, und von den gleichen Akteuren wird nun festgestellt, dass der verbliebene Rest nun so gering sei, dass auch er noch gestrichen werden könne. Noch Mitte der 1990er Jahre wurden für Langzeiterwerbslose, die Arbeitslosenhilfe bezogen, durchschnittlich pro Kopf 235 Euro an die Rentenkasse überwiesen. Die Basis, auf die der Beitrag an die GRV zu berechnen war, ist seitdem wiederholt geändert worden, so dass der tatsächliche Zahlbetrag stetig auf schlussendlich 40 Euro gesunken ist. DIE LINKE fordert deshalb, den Betrag nicht nur beizubehalten, sondern auf das 6,5-Fache zu erhöhen (Drs. 17/1735).

DIE LINKE folgt einem einfachen Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und gleiche Rente für gleiche Lebensleistung. Daraus folgt unweigerlich, dass nach zwanzig Jahren Sankt-Nimmerleins-Politik endlich der aktuelle Rentenwert (Ost) auf das Westniveau angehoben und die Höherwertung beibehalten werden muss (Drs. 16/6734). Wir wollen die rentenpolitische Benachteiligung der ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner endlich beenden. In dieser Legislaturperiode werden wir erneut einen entsprechenden Antrag in den Bundestag einbringen.

Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE muss die falsche, weil sozialen Abstieg und Altersarmut befördernde, Rentenpolitik der vergangenen zehn Jahre rückgängig gemacht werden. Das ist für eine gute Rente notwendig, aber nicht hinreichend. Langfristig muss die gesetzliche Rentenversicherung zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung ausgebaut werden. Ob nun bereits heute Versicherungspflichtige, Selbständige oder Beamte - alle Erwerbstätigen sollen in die Erwerbstätigenversicherung einbezogen werden. Wir wollen im Rahmen unseres Konzepts das solidarische Moment in der Alterssicherung stärken, die Einnahmeseite ausbauen und zugleich die Kosten für die Versicherten absenken. Im nächsten Jahr werden wir unser Konzept aus der vergangenen Legislaturperiode (Drs. 16/6440) aktualisiert in den Bundestag einbringen.

Sehr geehrter Herr Bauer, in der Hoffnung und in der festen Absicht, auch weiterhin mit dem SoVD an einem rentenpolitischen Strang zu ziehen verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen,
Matthias W. Birkwald