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SPD und Kita-Ausbau: Links blinken, rechts abbiegen

Im Wortlaut von Katja Kipping,

Von Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

 

Wer in diesen Tage die Zeitung aufschlägt, stößt an prominenter Stelle auf Pläne der SPD und ihrer Kita-Expertin Manuela Schweswig, bis 2020 den Rechtsanspruch von Kindern auf Ganztagsbetreuung sicherzustellen. Auf den ersten Blick hört sich das gut an: Rechtsanspruch, und das auch noch auf Ganztagsbetreuung. Aber Moment mal, steht der Rechtsanspruch auf Frühförderung und Betreuung nicht bereits im Gesetz? Und ab wann nochmal? Ja, ab August 2013, also ganze sieben Jahre früher. Irgendwie stimmt da was nicht. Hat die SPD die Zeichen der Zeit nicht erkannt?

Doch, die SPD hat die Zeichen der Zeit erkannt. Der Kita-Ausbau stockt. Der Rechtsanspruch auf einen Frühförderungsplatz ab August 2013 wird in großen Teilen Deutschlands nicht erfüllt werden können. Ganztagsschulen und Ganztagskitas sind vielerorts Mangelware. Die SPD hat das Thema Kinderbetreuung zur Chefsache erklärt und behauptet nun, ein Konzept zu haben, mit dem sich der Mangel bis 2020 lösen lässt. Das ist erst einmal lobenswert. Aber warum tun sie das erst jetzt? Und wieso, bitte, eine Lösung erst ab 2020?

Kitaausbau kommt nicht da an, wo er benötigt wird

Ein Rückblick auf die vergangene Woche im Bundestag: Im Plenum beschließt die Mehrheit der Abgeordneten das Ausbaupaket zum Kinderförderungsgesetz. Die Länder und Kommunen erhalten zusätzliche 580 Millionen Euro vom Bund, um den Kita-Ausbau voranzutreiben. Auf den ersten Blick ein schönes Geschenk, könnte man meinen. Das Geschenk hat nur seine Haken. Länder und Kommunen müssen sich an den Ausbaukosten beteiligen, wogegen prinzipiell nichts einzuwenden ist. Aber die Finanzlage von Ländern und Kommunen ist derart unterschiedlich, dass der Kitaausbau nicht unbedingt dort ankommt, wo er benötigt wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Hälfte der 580 Millionen Euro bis zum 30. Juni bewilligt worden sein muss. Folglich müssen die Kommunen bis zum 30. Juni Pläne vorgelegt und zusammen mit den Ländern ihre Mitfinanzierung eingetütet haben, damit die Mittel nicht verfallen. Dieser Plan ist absoluter Wahnsinn und deswegen schon vielerorts zum Scheitern verurteilt. Vom Ausbaupaket werden folglich nur die Kommunen profitieren, die finanziell ohnehin gut ausgestattet und deren Kita-Ausbaupläne bereits weit fortgeschritten sind.

Das hat auch der stellvertretende Ministerpräsident aus Thüringen Christoph Matschie, ebenfalls von der SPD, erkannt und im Vorfeld der Bundestagsberatungen um Streichung der Frist im Gesetz gebeten. Auch die SPD-regierten Länder Rheinland-Pfalz und Brandenburg haben diese Frist kritisiert. Allerdings standen sie in ihrer Partei damit alleine. Die Bundestagsfraktion der SPD hat dem Gesetz der Bundesregierung zugestimmt, und auch im Bundesrat hat die SPD nichts Nennenswertes unternommen, um das Finanzierungsverfahren zu ändern.

SPD vertagt das Ausbauziel – ein Skandal

Liebe SPD: Wohin geht ihr? Die SPD hat zu Zeiten der Großen Koalition den Kita-Ausbau mit beschlossen und gestaltet, den Rechtsanspruch ab August 2013 ins Gesetz schreiben lassen. Seit Jahren ist die SPD in zahlreichen Landesregierungen vertreten, stellt in vielen Kommunalparlamenten die Bürgermeister. Die SPD hatte viele Jahre Zeit und vielerorts den Gestaltungsspielraum, den Kita-Ausbau mit all seinen Facetten voranzutreiben. Passiert ist nichts. Und nun vertagt sie das Ausbauziel auf 2020. Das ist wenigstens ehrlich. Aber dennoch ein Skandal.

Dass der Ausbau stockt, lässt sich überall in der Republik beobachten. Dabei liegt es nicht nur am Geld: Es entstehen neue Kitas, aber das ausgebildete Personal fehlt. Mancherorts entstehen auf Grund von Raummangel keine neuen Kitas. Städte und Gemeinden fordern hilflos eine Abkehr von Standards, wollen größere Gruppen, Gleitzeitbetreuungsmodelle, Rücknahme bei Baustandards und sogar beim Brandschutz. Statt auf Kitas setzen sie jetzt auf die preisgünstigere Tagespflege und auf 1-Euro-Jobber als Ersatz von pädagogischem Personal. Der Kita-Ausbau pervertiert Frühförderung zu reiner Kinderverwahrung.

SPD ignorierte Mahnungen und Kritik der Kommunen

Dabei hätte, wenn die SPD es ernst gemeint hätte, alles viel einfacher gehen können. Statt eines eigenen Gesetzes – jetzt, kurz vor dem Inkrafttreten des Rechtsanspruches – hätte dieser von Beginn an von einer SPD, die in Regierungsverantwortung in der damaligen großen Koalition war, als Ganztagsanspruch gestaltet werden können. Durch eine transparente und nachvollziehbare Verteilung der Mittel auf die Länder, die auch die zügige Weiterleitung der benötigten Mittel an die Kommunen gesichert hätte, wären viele der Finanzierungshürden vor Ort wegfallen. Stattdessen hat aber auch die SPD die Mahnungen und die Kritik der kommunalen Ebene zu lange überhört. Nun aber wächst der Druck, und der SPD gerät letztlich auch durch die Versäumnisse in eigenem Handeln in der aktuellen Debatte um Geld und Fristen ein zentraler Aspekt aus dem Blick: die Förderung der Kinder und die Sicherung der Qualitätsstandards, die dafür unabdingbar sind.

DIE LINKE hat als einzige Fraktion im Bundestag seit Anbeginn der Debatte davor gewarnt, dass die qualitativen Standards nicht aus dem Blickwinkel geraten dürfen, der Erzieherberuf aufgewertet werden muss und bundeseinheitliche Mindeststandards entwickelt werden müssen. Bestätigt wurde dies durch zahlreiche Studien und von Fachverbänden sowie Gewerkschaften. Deshalb hat die Fraktion DIE LINKE nicht allein in jeder Haushaltsdebatte die Aufstockung der Bundesmittel für den Kita-Ausbau gefordert, sondern darüber hinaus in zahlreichen Initiativen und Anträgen Vorschläge zur Qualität der Kindertagesbetreuung gemacht und immer wieder auf die Tatsache des Erzieherinnenmangels hingewiesen. Unsere Befürchtung war, dass ohne eine Lösung für diese bestehenden Probleme der Kita-Ausbau und damit die Erfüllung des Rechtsanspruches scheitert. Leider, so muss man sagen, haben wir Recht behalten.

linksfraktion.de, 8. Februar 2013