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Soziale Gerechtigkeit fängt bei der Gesundheit an

Im Wortlaut von Harald Weinberg,

 

Von Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Es ist eine alte, aber immer noch wirksame Masche konservativer Politiker. Um die eigene ungerechte Politik, die gegen die „kleinen Leute“ gerichtet ist, zu rechtfertigen, werden Feindbilder aufgebaut und sozial unterprivilegierte Gruppen gegeneinander ausgespielt. So hatte ein stellvertretender Vorsitzender der konservativen Fraktion davor gewarnt, dass mit der Ausgabe von Gesundheitskarten an Asylsuchende die gesetzliche Krankenversicherung und damit die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler belastet würden. Er führte aus: „Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Krankenkassen seit 2015 bereits kassenindividuelle und auf Versichertenseite einkommensabhängige Zusatzbeiträge erheben, wäre sonst mit beträchtlichen Akzeptanzproblemen der Beitragszahler zu rechnen“.

Das ist ganz großer Unsinn. Erstens werden die Krankenkassen nicht belastet und niemand fordert das. Es bleibt dabei, dass die Sozialämter die Kosten zahlen, an die Kassen weiterreichen und die Kassen lediglich die Verwaltung übernehmen. Dafür erhalten sie eine Verwaltungspauschale, die den Aufwand der Kasse deckt. Die Versicherten werden also mit keinem Cent belastet. Zweitens hat sich gezeigt, dass die Kosten durch die freie Inanspruchnahme der Leistungen nicht etwa steigen, sondern sinken. Zum einen liegt das daran, dass die Ausgabe der Karten und die Abrechnung der Leistungen über die Kassen wesentlich unbürokratischer ist als die Ausgabe von Behandlungsscheinen durch die Sozialämter. Zum anderen werden Krankheiten nicht mehr so häufig verschleppt, wenn die Asylsuchenden nicht zuerst auf das Sozialamt müssen bevor sie in die Arztpraxis dürfen.

Die Aussage soll aber vor allem darüber hinwegtäuschen, dass die CDU/CSU selbst verantwortlich dafür ist, dass die Versicherten Zusatzbeiträge zahlen müssen. Das hat die Union in der Koalition durchgesetzt. Es ist geradezu widerwärtig, wie die mächtigsten Parteien in Deutschlands oder Bayerns die eigenen Verfehlungen der schwachen Gruppe der Asylsuchenden in die Schuhe schiebt und gleichzeitig gegen sie hetzt.

Es ist absurd: Derselbe Politiker, der vor den Zusatzbeiträgen warnt, verteidigt die Zusatzbeiträge. Denn Zusatzbeiträge gibt es nur deshalb, weil auf Betreiben der Unionsfraktion die Krankenversicherungsbeiträge der Arbeitgeber bei 7,3 Prozent gedeckelt sind. Was über die 7,3 Prozent normalen Arbeitnehmeranteil hinausgeht, müssen die Arbeitnehmer über Zusatzbeiträge zahlen. Um die Zusatzbeiträge abzuschaffen, müsste man einfach die Parität, also das Prinzip halbe-halbe wiederherstellen. Was sagt dazu unser Unionspolitiker, als es im März um die Parität ging: „Eine Wiederherstellung der Parität steht derzeit nicht auf der politischen Tagesordnung“ So sitzt die Union das Thema aus, macht lieber Flüchtlinge verantwortlich und die SPD lässt das Ganze als Koalitionspartner mit sich machen.

Was wir brauchen, sind Schritte in Richtung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Also neben der Wiederherstellung der Parität auch die Abschaffung der privaten Krankenversicherung, die Abschaffung der sozial ungerechten Beitragsbemessungsgrenze, die  Verbeitragung von Kapitaleinkommen und die Abschaffung sämtlicher Zuzahlungen. DIE LINKE fordert das, die Union lehnt es ab, obwohl diese Maßnahmen alle Versicherten mit unter 6000 Euro Monatsbrutto (12000 Euro bei Verheirateten) entlasten würde, weil der Beitragssatz auf jeweils gut 5 Prozent für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sinken würde.

Mit der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung hätte man daher auch Spielräume zur Finanzierung von wichtigen gesundheitspolitischen Vorhaben. Zum Beispiel zur Einstellung von ausreichend Pflegekräften in Krankenhäusern oder für eine bessere Versorgung beim Zahnersatz. Davon würden die meisten Menschen in Deutschland profitieren.

DIE LINKE steht für eine solche Politik, die den Menschen nutzt und nicht einzelne Gruppen gegeneinander ausspielt.


linksfraktion.de, 30. Oktober 2015