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Sozial-ökologischer Umbau statt Realitätsverweigerung

Im Wortlaut von Caren Lay,

 

Von Caren Lay, Leiterin des Arbeitskreises Struktur- und Regionalpolitik und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Mit dem Kopf gegen die Wand. Verkehrsminister Dobrindt scheint’s zu mögen. Monatelang äußerte die EU-Kommission Bedenken an Dobrindts Vorschlag für eine Ausländermaut auf Deutschlands Straßen. Doch der CSU-Politiker zeigte sich beratungsresistent. DIE LINKE. im Bundestag hatte schon im März 2014 in einem Antrag aufgezeigt, dass eine Ausländer-Maut weder sozial ist, noch eine ökologische Lenkungswirkung hat und erhebliche Gefahren für den Datenschutz bestehen. Davon ließ sich die Große Koalition nicht beeindrucken, so dass es kam, wie es kommen musste. Nach der Verabschiedung im Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD erhob die EU-Kommission Einspruch gegen die Pkw-Maut, deren Einführung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Dieses Handeln gegen Sinn und Verstand steht stellvertretend für das Agieren der Bundesregierung bei vielen Fragen des sozial-ökologischen Umbaus.

So auch bei der Energiewende. Der akzeptable Vorschlag des Wirtschaftsministeriums, einen Klimaschutzbeitrag für alte Braunkohlekraftwerke einzuführen, wurde nach Verhandlungen in der Koalition in sein Gegenteil verkehrt. Statt RWE und Vattenfall für den Betrieb der größten CO2-Schleudern zur Kasse zu bitten, erhalten diese nun eine Abwrackprämie für ihre alten Braunkohlekraftwerke. Das Ergebnis: Höhere Kosten bei weniger Klimaschutz. Die Linksfraktion fordert einen geordneten Ausstiegsplan aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2040. Dies wäre nicht nur gut fürs Klima, sondern würde auch den Startschuss geben für den dringend erforderlichen Strukturwandel in den Braunkohlerevieren im Rheinland und der Lausitz. Wenn selbst Bundesumweltministerin Hendricks von einem Kohleausstieg bis 2040 ausgeht, müssen heute die Weichen für alternative Arbeitsplätze in den Kohleregionen gestellt werden, statt die Augen vor dem Unabwendbaren zu verschließen. Das sind wir nicht zuletzt den Kohlekumpels schuldig.

Eckpunkte für einen solchen Strukturwandel werden wir im Herbst in mehreren Veranstaltungen gemeinsam mit Akteuren aus den Braunkohlerevieren beraten. Denn Konzepte für einen Strukturwandel können nicht am grünen Tisch, sondern nur gemeinsam mit den Beschäftigen und anderen lokalen Akteuren entwickelt werden. Eine soziale Gestaltung der Energieversorgung ist zentral für die gesellschaftliche Akzeptanz und damit auch für den Erfolg der Energiewende.

Kurz nach Bekanntgabe eines neuen Rekordwertes bei Stromsperren im Dezember 2014 haben wir daher auch erneut einen Antrag auf Verbot von Stromsperren in den Bundestag eingebracht. Die Versorgung mit Strom ist eine Grundvoraussetzung für ein menschenwürdiges Wohnen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. 344.798 Haushalten wurde dieses Grundrecht allein im Jahr 2013 verwehrt, fast sieben Millionen Haushalten wurde eine Kappung ihrer Stromversorgung angedroht. Als Teil der Kampagne “Das muss drin sein!” der Partei DIE LINKE, die am 1. Mai 2015 startete, werden wir uns auch weiterhin parlamentarisch für ein Verbot von Stromsperren einsetzen. Die stille soziale Katastrophe stromloser Haushalte muss beendet werden.

Der Einsatz für bezahlbares Wohnen ist ein weiterer Schwerpunkt bei der parlamentarischen Begleitung der Partei-Kampagne. Die von den Koalitionsfraktionen beschlossene Mietpreisbremse greift viel zu kurz, ist sie doch räumlich wie zeitlich begrenzt und auf Neuvermietungen beschränkt. Als Teil einer sozialen Wohnungspolitik haben wir zudem eine Offensive im sozialen Wohnungsbau mit dem Neubau von 150.000 Wohnungen eingefordert. Denn laut Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion ist die Zahl der öffentlich geförderten Sozialwohnungen in Deutschland im letzten Jahrzehnt um eine Million gesunken. In den kommenden Monaten wollen wir zudem im Bundestag eine Debatte um die Reform des Mietspiegels anstoßen. In seiner jetzigen Form ist er leider ein Mietteuerungsspiegel, der Mieterhöhungen legitimiert. Daneben haben wir im vergangenen Jahr den Kampf vieler Mieterinitiativen gegen die Privatisierung von Bundesimmobilien in den Bundestag getragen. In Berlin haben wir gemeinsam das Verscherbeln einzelner Bundesimmobilien vorerst verhindert. Diese positiven Impulse wollen wir in den kommenden Monaten in die Republik tragen.

Auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist unser Einsatz für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen Deutschlands gefordert. Neben dem bestehenden Lohngefälle zwischen Ost und West werden auch im Jahr 2015 Ungerechtigkeiten zementiert, zuletzt bei der Mütterrente. Aber wir heben auch die Transformationserfahrungen in Ostdeutschland hervor, wie bei unserer Anhörung zur Industriepolitik in Ostdeutschland im Juni 2015. Der Osten ist und bleibt ein Schwerpunkt unserer Arbeit.

Als größter Arbeitskreis der Fraktion haben wir uns daneben für eine Vielzahl anderer Themen eingesetzt. Für ein Verbot von Fracking, für ein Gestalten statt Verwalten in der Haushaltspolitik, für eine Deckelung von Dispozinsen und die Rechtssicherheit bei der Rekommunalisierung von Energienetzen.

Doch wir schauen auch über die Tagespolitik hinaus und diskutieren, wohin sich eine Gesellschaft entwickeln muss, wenn sie nicht nur gerecht und emanzipatorisch, sondern auch ökologisch verträglich sein soll. Einen solchen Kompass braucht das politische Tagesgeschäft. Wir arbeiten daher weiter am PLAN B, dem roten Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau. Haben wir zu Beginn des Projekts langfristige Visionen für einen sozial-ökologischen Umbau bis zum Jahr 2050 aufgezeigt, werfen wir nun den Blick auf die kürzere Frist. In drei Broschüren schildern wir, wie Stadtwerke zu Schaltstellen der Energiewende werden können, dass ein Nulltarif im öffentlichen Verkehr keine utopische Vision ist, und fragen mit Blick auf das Ackerland als Spekulationsobjekt: Wem gehört das Land? Viel Spaß bei der Lektüre!