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»Sonne, Strand und See – Atomkraft nee!«

Interview der Woche von Steffen Bockhahn,

Steffen Bockhahn, Mitglied der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag mit Direktmandat in Rostok, über atomfreien Strommix, die Kraft des Winds und die Vorzüge eines Atomausstiegs für Stadtwerke

Fukushima hält die Welt in Atem und zwingt Schwarz-Gelb zu atompolitischen Pirouetten. Sie vertreten seit 2009 den Wahlkreis Rostock als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter. In welcher Weise berührt das Thema die Menschen in Ihrer Heimatstadt?

Steffen Bockhahn: Natürlich ist die Sorge um die Sicherheit bei allen gegenwärtig. Der Wunsch, in Zukunft ohne Atomenergie auszukommen, ist stark ausgeprägt. Dass ein Atomunfall in Schleswig-Holstein oder Polen uns auch betreffen würde, ist allen klar. Wir sind in Mecklenburg-Vorpommern schon heute so weit, dass wir 50 Prozent der benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen. Der Ausbau der Windkraft, vor allem in der Ostsee, ist ein großes Thema. Auch deswegen, weil drei große Windkraftanlagenbauer bei uns angesiedelt sind.

Wie bewerten Sie die langfristigen Erfolgschancen von Offshore-Windparks?

Sie sind aus meiner Sicht unverzichtbar, wenn wir es mit dem Umstieg auf erneuerbare Energie ernst meinen. Das bedeutet natürlich auch, neue Starkstromtrassen zu bauen. Vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns geht gerade eine Trasse gemeinsam mit dem ersten Offshore-Windpark in der Ostsee in Betrieb. In Rostock haben wir statistisch gesehen nur drei Tage Windstille im Jahr. Das Potenzial für Windenergie ist gigantisch. Ein Windkraftanlagenbauer aus Rostock präsentiert dieser Tage eine neue 6-Megawatt-Anlage. Üblich sind bisher etwa 2,5 Megawatt.

Wie in den anderen ostdeutschen Ländern wird auch in Mecklenburg-Vorpommern kein Atomkraftwerk aktiv betrieben. Woher kommt denn beispielsweise der Strom für die Rostockerinnen und Rostocker?

Wir haben hier starke kommunale Stadtwerke, die ein Gaskraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung haben. Damit wird etwa die Hälfte des Strombedarfs der ganzen Stadt und auch die Fernwärme erzeugt. Darüber hinaus kaufen die Stadtwerke Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken hinzu. In Rostock kann man als Kunde der kommunalen Stadtwerke schon jetzt ein gutes Gewissen haben, weil kein Atomstrom im Mix enthalten ist. Natürlich haben wir immer den Kampf gegen die billigen Atomstromanbieter. Umweltschutz ist auch hier eine soziale Frage.

Wie muss man sich die Versorgung durch Stadtwerke vorstellen?

Wenn Stadtwerke den Kommunen und nicht den großen Monopolisten gehören, können die Gemeindevertreter Einfluss auf die Art der Stromerzeugung nehmen. Das haben wir auch in Rostock getan - daher auch die Trennung vom Atomstrom. Es besteht außerdem die Möglichkeit, mit kleineren Kraftwerken eine dezentrale Versorgung auszubauen. So kann man flexibel reagieren und muss nicht die großen Atom- und Kohlekraftwerksdinosaurier füttern, die ziemlich unflexibel sind. Auf diese Weise wird nur der Strom produziert, der auch wirklich gebraucht wird.

Und ein Teil des Stroms wird im Ausland gekauft? Es ist ein regelmäßiger Vorwurf der Atombefürworter, dass es unsinnig sei, nach einem deutschen Atomausstieg Atomstrom zu importieren. Wie wollen Sie das verhindern?

Das ist ganz einfach. Genauso wie man bei deutschen Anbietern entscheiden kann, ob man einen will der Atomstrom im Mix hat, kann man das auch bei ausländischen. Wir brauchen neue Stromtrassen nach Skandinavien. Dort gibt es gigantische Mengen im Bereich der Wasserkraft. Die sind von Sonne und Wind unabhängig und ein perfekter Speicher für Energie. Aus genau diesen Kraftwerken Strom zu kaufen heißt, sauberen Strom zu beziehen und der Atomkraft eine Absage zu erteilen.

Und wie wollen Sie verhindern, dass Strompreiserhöhungen infolge eines Atomausstiegs regionale Versorger zusätzlich unter Druck setzen?

Ich denke, dass der Atomausstieg für die lokalen Versorger eher einen Wettbewerbsvorteil bringt. Atomstrom wird mit Milliarden Euro Steuergeld künstlich billig gehalten. Das zu beenden, bedeutet Transparenz am Strommarkt herzustellen. Das bedeutet aber auch, die Strombörse EEX in Leipzig dicht zu machen. Da geht es nämlich nur um den billigsten, nicht um sauberen Strom. Das verfälscht die Preise und benachteiligt die Erzeuger erneuerbarer Energien.

Initiativen und Parteien mobilisieren bereits für den nächsten bundesweiten Antiatom-Aktionstag. Wo wird der Schwerpunkt in Mecklenburg-Vorpommern liegen?

Selbstverständlich in Lubmin bei Greifswald. Dort ist das bundeseigene Zwischenlager Nord, wo auf Anweisung von Jürgen Trittin immer mehr Atommüll eingelagert wird. Er hatte 2004 die Einlagerung von zusätzlichen Mengen angeordnet. Eigentlich sollte das Lager nur die Rückbaureste der beiden DDR-Kernkraftwerke aufnehmen. Die Grünen haben den Konsens gebrochen, die SPD hat mitgemacht, Union und FDP setzen das nun dankbar um. Deshalb werden wir am 25. April ab 13 Uhr bei der Demo »Sonne, Strand und See – Atomkraft nee!« dabei sein.

linksfraktion.de, 4. April 2011