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Schwarz-gelbes Atommoratorium ist Beruhigungspille

Kolumne von Dorothée Menzner,

Von Dorothée Menzner, energiepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Er gehört zu den furchtbarsten Katastrophen, die Menschenhand selbst verschuldet hat. Er ist keine Naturgewalt, er passiert auch nicht zufällig - der größte anzunehmende Unfall - ein atomarer GAU. Das Desaster geschieht diesmal in einem Land, das mit den Aufräumarbeiten nach Erdbeben und Tsunami noch nicht einmal anfangen konnte. Japan wurde bereits nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki mit den unfassbaren Auswirkungen einer nuklearen Katastrophe konfrontiert.

Hierzulande müssen wir in Medien die zeitweilig voyeuristisch anmutende Berichterstattung und die Desinformationspolitik des japanischen Energieversorgers verfolgen, um uns aus dem Mosaik ein wages Bild der Lage machen zu können. Gleichzeitig entdecken die Regierenden, dass das, was unwahrscheinlich ist, Realität werden kann. Welch eine Erkenntnis. Der Begriff Restrisiko hat für die Bundesregierung eine neue Dimension erhalten. Zu spät für zehntausende Tote von Tschernobyl, zu spät für Japan.

Doch welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung jetzt? Sie gibt an, das Restrisiko beherrschbar machen zu wollen, und setzt sich nach Beschluss der Laufzeitverlängerung erstmals mit Sicherheitsfragen auseinander. Doch das Restrisiko beschränkt sich nicht auf unerwartete Naturkatastrophen. Es reicht nicht, AKW nachzurüsten. Die Gefahr kommt durch das Unerwartete, die Unglücksverkettung, das menschliche Versagen, die Nichtbeherrschbarkeit der Atomkraft und durch Schlamperei. Unzählige Male wurden Skandale aufgedeckt, wo ernsthafte Schäden und Risiken an AKW auf die blanke Geldgier der Betreiber zurückzuführen waren. Profitabel ist nur, was billig ist. Der Protest der Anti-Atom-Bewegung wird ignoriert, belächelt, verhöhnt. Und immer noch ziehen die Beschwichtiger durchs Land und wollen uns weismachen, solche Katastrophen können bei uns nicht passieren. Solche Szenarien seien in Deutschland praktisch ausgeschlossen. Die Atomlobby kennt keine Moral, kennt keine Rücksicht, sie spielt mit dem Leben von Menschen. Für ihren eigenen Profit. Denn Atomkraftwerke sind Gelddruckmaschinen.

Das von der Bundesregierung ad hoc ins Leben gerufene sogenannte Moratorium der Laufzeitverlängerung ist eine Mogelpackung. Ein Wahlkampftrick, eine Beruhigungspille. Anstatt darüber nachzudenken, wie die deutschen Atomkraftwerke unverzüglich stillgelegt werden können, beginnt ein emsiges Suchen nach neuen Sicherheitsstandards. Juristische Winkelzüge werden bemüht, die Laufzeitverlängerung doch nicht auszusetzen, um den "neueren" AKW vielleicht doch noch die Reststrommengen von Neckarwestheim I und Isar I vererben zu können. Das formale Moratorium der Laufzeitverlängerung wird es nicht geben. Ebenso wenig den Zwang, die alten Meiler endgültig vom Netz zu nehmen. Deswegen müssen wir jetzt die Wut, die Enttäuschung, das Engagement und die Kraft der Bevölkerung in Politik ummünzen. Wenn demnächst die Zeit der Wahlkämpfe vorbei ist und die Nachrichtenlage aus Japan in den Hintergrund rückt, wird sich ansonsten hierzulande die Atomlobby abermals im Kanzleramt treffen. Und dann wird man einen Weg finden, wie sich der Weiterbetrieb der Atomkraft in Deutschland für weitere Jahrzehnte populär und für die Atomindustrie wirtschaftlich gestalten lässt. Das gilt es lautstark mit Protest und viel Kreativität zu verhindern.

Solange Politik mit den Energiekonzernen verhandelt, bricht sie mit dem Willen der Bevölkerung. Abschalten ist die Forderung, die im ganzen Land auf hunderten Mahnwachen gerufen wird. Denn Atomenergie ist keine Brückentechnologie ins erneuerbare Zeitalter, sondern kann in den Abgrund der radioaktiven Katastrophe führen. Atomenergie - ob militärisch oder zur Energiegewinnung ist unverantwortlich. Atomkraft muss ein für allemal per Grundgesetz verboten werden. Wenn das letzte AKW stillgelegt wurde und die Verwahrung der Hinterlassenschaften des atomaren Albtraums einigermaßen gesichert werden kann, erst dann sind die Restrisiken minimiert.