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Schulstart zweiter Klasse

Im Wortlaut von Diana Golze,

Jedes Jahr im Spätsommer bitten ADAC, Verkehrswacht und Polizei in den Städten und Gemeinden in unserem Land mit Transparenten um besondere Aufmerksamkeit für die kleinen ABC-Schützen – weil diese eben genau dieser besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Zu vieles ist neu und vor allem aufregend in den ersten Tagen als frischgebackenes Schulkind –da ist die Bitte nach gesteigerter Sensibilität mehr als berechtigt.

An anderer eigentlich noch viel wichtigerer Stelle sucht man diese Sensibilität leider vergebens – bei der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die die politische Verantwortung dafür trägt, ob jedes Kind diesen Tag als einen ganz besonderen empfinden kann, weil es die gleichen Startbedingungen in das Schulleben bekommt, wie der Banknachbar oder die Freundin aus der Kindergartengruppe, die ein paar Plätze weiter ebenso aufgeregt auf dem Stuhl hin und her rutscht. Startbedingungen, die nicht davon bestimmt werden, ob die Eltern genügend Geld verdienen, um die meist recht umfangreiche Liste der notwendigen Schulutensilien ohne weiteres abzuarbeiten, auf die Zuckertüte das Wunschkuscheltier zu setzen oder aber diese schöne bunte Schulmappe zu kaufen, die im Schaufenster des Schreibwarenladens um die Ecke lag.

1,60 € werden einem Kind im schulpflichtigen Alter für Schreibwaren laut Berechnungen des Ministeriums von Frau von der Leyen im Monat zugestanden, wenn die Familie von ALG II leben muss. Dazu kommen aus dem Schulbedarfspaket 70 €, die die Eltern für das Kind zum Schuljahresbeginn beantragen können. 70 €, die nicht nur für Hefte, Umschläge, Lineale und Bleistifte reichen müssen, sondern bei Schulanfängern eben auch für die neue Schulmappe, die erste Sporttasche, Hausschuhe für den Hort – wenn es ihn denn als Angebot gibt – teure Schreiblernfüller und und und.

Hier klaffen ministeriale Vorstellungen von dem, was ein Kind braucht und dem, was das reale Leben für Anforderungen an eine Familie mit Schulkindern stellt, meilenweit auseinander. Dies wird dadurch bestätigt, dass auch die massive Kritik an der Umsetzung des Hartz IV Bundesverfassungsgerichtsurteils in Bezug auf die Sicherung der Teilhabe an Bildung für Kinder aus Familien im ALG II Bezug nichts an der Tatsache ändert, dass das Arbeitsministerium den Bedarf eines Kindes als gedeckt betrachtet. Es bleibt also dabei: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen - Das ist der Umgang der Bundesregierung mit der Kinderarmut in Deutschland. Und wenn man ein Problem nicht wahrnehmen will, dann will man es auch nicht lösen.

Die Einführung des Bildungspaketes von der großen Koalition aus CDU, CSU, FDP und SPD erweist sich einmal mehr als schmerzliche Luftnummer. Mit den 70 Euro zum Schulstart von Ursula von der Leyen ersetzt die Plastetüte Schulranzen und Zuckertüte.

Statt dieser Diskriminierung von Kindern endlich einmal wirkungsvoll den Riegel vorzuschieben, versteckt sich die Bundesregierung hinter ihren Berechnungen und behauptet, eine Deckung der erforderlichen Bedarfe für die Schule sei in jedem Falle sichergestellt, wie eine schriftliche Anfrage ergab. Das zeigt, wie weit weg die Regierung von der gesellschaftlichen Realität agiert. DIE LINKE bleibt bei ihrer Forderung, die Hartz-Sätze neu, bedarfsgerecht und am Lebensalltag der Kinder orientiert zu ermitteln und perspektivisch eine bedarfsorientierte Kindergrundsicherung einzuführen.

 

Antwort des Ministeriums für Arbeit und Soziales auf die Schriftliche Frage (PDF)

 

Von Diana Golze, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion

www.linksfraktion.de, 19. August 2011