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Sachverständige kritisieren das BAföG-Reförmchen der Regierung

Nachricht von Nicole Gohlke,

Selten einhellig haben die von den Fraktionen geladenen Sachverständigen bei der heutigen Anhörung zum 26. BAföG-Änderungsgesetz der Bundesregierung die Erhöhungen der BAföG-Sätze als unzureichend kritisiert. Die vom Bundesbildungsministerium (BMBF) vorgeschlagenen Verbesserungen wurden zwar allgemein als Schritt in die richtige Richtung begrüßt, sie gingen aber an der Lebensrealität der Studierenden vorbei und blieben weit hinter dem Nötigen zurück.

Teure Mieten, fehlende Unterkünfte

Besonders deutlich wird dies bei der Wohnpauschale, die von 250 Euro auf 325 Euro angehoben werden soll. Sowohl die Vertreterin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Sonja Bolenius, als auch andere Sachverständige verwiesen darauf, dass die Studierenden im Durchschnitt bereits vor drei Jahren, im Jahr 2016, so viel für ihre Unterkünfte bezahlten. Die BAföG-Novelle berücksichtige weder die Mietsteigerungen seither noch die in den nächsten Jahren zu erwartenden. Der DGB macht sich außerdem für eine Regionalisierung der Wohnkostenzuschüsse stark, weil die Mietniveaus in Hochschulstädten wie München, Kassel oder Greifswald sehr unterschiedlich sind.

Bundesbildungsministerin Karliczek (CDU) hat zwar Mittel für den Neubau studentischer Unterkünfte in Aussicht gestellt. Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, das die meisten Studierendenwohnheime betreibt, sagte, es müssten nun auch konkrete Planungen und Mittelzusagen erfolgen, damit mit dem Bau neuer Wohnheime rasch begonnen werden kann. Das ist bislang nicht der Fall.

Nicht länger am Essen sparen müssen

Der Grundbedarf beim BAföG sollte nach Einschätzung des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) auf 500-550 Euro erhöht werden, um die tatsächlichen Ausgaben Studierender für ihren Lebensunterhalt jenseits der Mietkosten einigermaßen realistisch abzudecken. Das legen die Ergebnisse der umfangreichen Studien nahe, die das FiBS regelmäßig auf Grundlage der Befragung zehntausender Studierender erstellt, legte Dr. Michael Cordes dar. Dieser Betrag läge weit über den jetzt beschlossenen 419 Euro, könnte aber verhindern, dass die einkommensschwächsten Studierenden wie derzeit am Nötigsten und sogar bei der regelmäßigen Ernährung sparen.

Gerade finanziell schlecht gestellte junge Menschen würden darüber hinaus durch die Angst vor Verschuldung von der Beantragung einer BAföG-Förderung und somit vom Studium abgeschreckt, kritisierte Kevin Kunze aus dem Vorstand des freien zusammenschlusses von student*innschaften (fzs). Deshalb sollten die BAföG-Schulden in einem ersten Schritt auf 5.000 Euro begrenzt und langfristig vollends abgeschafft werden.

Große BAföG-Reform ist nötig

Der Vertreter des fzs kritisierte zudem, dass sein Verband wie auch andere ihre wesentlichen und gut begründeten Einwände dem BMBF bereits im Januar 2019 vorgebracht haben. Das Ministerium wie auch die Fraktionen von SPD und CDU/CSU wiederholen zwar gern das blasse Lob an ihrem Gesetzentwurf – wenigstens gibt es nach Jahren des Stillstands Erhöhungen, die fast den Kaufkraftverlust seit der letzten Novelle ausgleichen. Aber ein Grund zum Feiern ist das angesichts der enormen Belastungen durch Geldnot, Jobben und Prüfungsstress, die ein Studium für junge Menschen mittlerweile bedeutet, nicht. Heute haben dies alle Verbände, die die Lebensrealität Studierender kennen, den Regierungsfraktionen noch einmal detailliert vorgerechnet und ins Stammbuch geschrieben.

"Wir haben heute handfeste dafür Argumente gehört, dass eine große BAföG-Reform nötig ist", resümiert Nicole Gohlke, hochschul- und wissenschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. "Das BAföG muss existenzsichernd und rückzahlungsfrei werden. Bundesfinanzminister Scholz macht sich als SPD-Genosse unglaubwürdig, wenn er beim BAföG sparen lässt, gleichzeitig aber die gewaltigen Steigerungen im Verteidigungshaushalt verteidigt."