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Foto: Rico Prauss

Reinen Wein einschenken!

Im Wortlaut von Dietmar Bartsch,

Foto: Uwe Steinert

 

 

Von Dietmar Bartsch, 2. stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Bis zum 12. Dezember stimmen die Mitglieder der SPD über den zwischen Union und Sozialdemokratie ausgehandelten Koalitionsvertrag ab. Es geht um eine Frage von erheblichem politischem Gewicht, wofür diese Form direkter Demokratie angemessen ist. Dass erstmalig so über einen Regierungseintritt mitentschieden wird, kann der Demokratie in unserem Land und der Anziehungskraft demokratischer Parteien nur gut tun. Für die Führung der Sozialdemokratie birgt das Ganze durchaus ein erhebliches Risiko, denn der Ausgang  der Mitgliederbefragung ist offen und zumindest mit einer überwältigenden Pro-Entscheidung ist wohl kaum zu rechnen. Letzteres hat vor allem mit dem Inhalt des von den Union- und SPD-Spitzen paraphierten Vertrages zu tun. Ich kann es nur zu gut verstehen, wenn nicht wenige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einer Koalition der Verwaltung und des Stillstandes die Zustimmung verweigern, wenn sie eine Politik ablehnen, die die soziale Spaltung im Land und in Europa vertieft. Wir, DIE LINKE, werden diesem Kurs unsere Kritik, unseren Widerstand und alternative Vorschläge entgegensetzen.

Ich sage NEIN zu diesem Koalitionsvertrag, mit dem die SPD – einmal mehr! – die Chance preisgibt, hierzulande endlich von oben nach unten umzuverteilen. Ich halte es allerdings für richtig und mutig, den Weg einer Urabstimmung einzuschlagen. Verfassungsrechtliche Bedenken, für deren Verbreitung vor allem eine kecke ZDF-Moderatorin sorgte, teile ich nicht. DIE LINKE hat das Bekenntnis zu mehr direkter Demokratie im Parteiprogramm, und auch in unserem Bundestagswahlprogramm haben wir für neue Formen der demokratischen Beteiligung plädiert. Ich halte innerparteiliche Mitgliederentscheide für ein hohes Gut und werde sie nicht als bloße Inszenierung geringschätzen.

Voraussetzung ist jedoch, dass wirklich klar ist, worüber abgestimmt wird. Da hat der jetzt bei der SPD anstehende Entscheid wohl einen gewaltigen Haken.

Es gibt augenscheinlich eine Reihe geheimer Absprachen und Vereinbarungen zum Koalitionsvertrag. SPD-Chef Sigmar Gabriel ist dem nur halbherzig und wenig glaubwürdig entgegengetreten. Letzteres allein schon deshalb, weil er Zusatzabsprachen zur Gesundheitspolitik bestätigt hat. Nun, gerade in diesem Bereich wird vor Risiken und Nebenwirkungen gewarnt, aber der Beipackzettel wird wenigstens mit ausgeliefert. Außerdem ist ein offenkundiger Mangel, dass die Kabinettsliste und der Ressortzuschnitt erst nach dem Votum der SPD-Mitglieder öffentlich gemacht werden sollen. Der Koalitionsvertrag ist überschrieben mit "Deutschlands Zukunft gestalten". Sollen jetzt ein Schattenvertrag und ein Schattenkabinett für künftige blühende Landschaften sorgen?

Vor diesem Hintergrund wird der SPD-Mitgliederentscheid tatsächlich zur Farce, weil seine Geschäftsgrundlage nicht umfassend bekannt ist. Bestätigt sich überdies, dass auch Abmachungen zum Stimmverhalten getroffen wurden, wird es tatsächlich verfassungsrechtlich problematisch.

Bis zum 6. Dezember will die SPD die Unterlagen zum Mitgliederentscheid komplett herausgeschickt haben, dann beginnt die Stimmabgabe. Noch ist also Zeit, sowohl der Öffentlichkeit als auch der SPD-Mitgliedschaft reinen Wein einzuschenken. Denn was die künftigen Koalitionäre da zusammengerührt haben, müssen wir alle austrinken.
 

linksfraktion.de, 5. Dezember 2013