Zum Hauptinhalt springen

Regelsatz deutlich anheben und Sozialkürzungen zurücknehmen!

Im Wortlaut von Dagmar Enkelmann,

Von Dr. Dagmar Enkelmann, 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Bei der Hartz IV-Reform hatte die Bundesregierung - kurz vor Ultimo 2010 - ein Gesetz vorgelegt, das in keiner Weise zustimmungsfähig ist. Fünf Euro mehr Regelsatz für Erwachsene bedeuten, dass nicht einmal das Niveau des - ohnehin verfassungswidrigen - Regelsatzes aus dem Jahr 2003 erreicht wird. Denn seitdem ist die Kaufkraft von Hartz IV um über 20 Euro gesunken.

Der Skandal ist offenkundig: In Wahrheit wurden mit den Planungen zum Bundeshaushalt zugleich die Spielräume für den neuen Regelsatz festgelegt. Dies hatte Bundesarbeitsministerin von der Leyen dann nur noch öffentlich zu rechtfertigen. Zu diesem Zweck wurde die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts ignoriert. Es wurde getrickst und manipuliert, bis die Ergebnisse passten.
 
Folgerichtig hat der Bundesrat das Gesetzgebungsverfahren gestoppt. Nunmehr ist der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gefordert, die Hartz IV-Reform grundlegend zu korrigieren. Doch davon ist nichts zu spüren. So hat das Verfassungsgericht nicht nur die Sicherung der physischen Existenz, sondern auch die gesellschaftliche Teilhabe ganz klar zum Maßstab für die Höhe des Regelsatzes erhoben. Den Punkt Teilhabe aber blendet die Regierung auch im Vermittlungsausschuss völlig aus. Solange von der Leyen sich hier nicht bewegt, wird die Reform wieder vor den Verfassungsrichtern enden.

Der Vermittlungsausschuss hatte vor Weihnachten seine Arbeit aufgenommen und eine Hartz IV-Arbeitsgruppe gegründet. DIE LINKE war für diese Arbeitsgruppe nicht vorgesehen. Die Hartz IV-Parteien - CDU, CSU, FDP, Grüne und SPD - wollten als Kungelrunde unter sich bleiben. Transparenz und Offenheit waren nicht erwünscht.
 
Für SPD und Grüne stellt die Arbeitsgruppe auch mehr eine Pflichtübung dar, in der sie kein besonderes Engagement an den Tag legen. Beide Parteien sind offenbar der Ansicht, dass mit Hartz IV bei den Wählerinnnen und Wählern kein Blumentopf zu gewinnen ist.
 
Die traute Gemeinschaft wird nun durch Die LINKE gestört. Sie musste aber erst das Bundesverfassungsgericht anrufen, um eine nachträgliche Einladung zu der Arbeitsgruppe zu bekommen. Es fehlt weiterhin die Einsicht, dass die Teilnahme der LINKEN an solchen Gremien selbstverständlich sein muss. Die eingereichte Klage gegen den Ausschluss der LINKEN ist daher noch nicht vom Tisch.

In der Arbeitsgruppe werden im Kern drei Schwerpunkte diskutiert und verhandelt: erstens die Bestimmung und Höhe der Regelsätze, zweitens der Inhalt und die Umsetzung des so genannten Bildungs- und Teilhabepakets sowie drittens - zumeist branchenbezogene - Mindestlöhne.

Die Position der LINKEN ist eindeutig: Wir fordern vor allem eine deutliche Anhebung der Regelsätze. Nach unseren eigenen Berechnungen ist einer in der Größenordnung von 500 Euro sachlich gut begründet und notwendig. Dazu hat DIE LINKE auch eine Expertise unter dem Titel "Existenzminimum kleingerechnet. Alternative Berechnungen zu Hartz IV-Regelsätzen" vorgelegt.

Die Untergrenze, die nach dem Karlsruher Urteil auf keinen Fall unterschritten werden darf, liegt bei 420 Euro. Zu diesem Ergebnis kommen auch Berechnungen der Sozialverbände. DIE LINKE wird sich in den Verhandlungen dafür einsetzen, dass diese Grenze nicht unterschritten wird. Zugleich ist klar, dass die für Kinder und Jugendliche ermittelten  Regelsätze einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kaum standhalten können. Die Datenbasis ist zu schmal, nur eingeschränkt aussagekräftig und damit nicht geeignet. Es führt kein Weg daran vorbei, die Regelsätze - insbesondere für Kinder und Jugendliche - komplett neu zu ermitteln. Die LINKE schlägt daher vor, diese Regelsätze vorläufig festzulegen und in die Gesetzesreform eine Revisionsklausel einzubauen. Parallel ist eine Expertenkommission einzurichten, die eine seriöse Neuberechnung vorlegt. Die Ergebnisse müssen schließlich rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft gesetzt werden.
 
Nicht verhandelbar ist für DIE LINKE der Verzicht auf Verschärfungen bei den Sanktionen sowie auf die Pauschalierung der Unterkunftskosten. Die Milliardenkürzungen durch das so genannte Sparpaket beim Elterngeld, beim Rentenzuschuss des Bundes sowie bei den Eingliederungsleistungen für ALG II-Bezieherinnen und -Bezieher sind zurückzunehmen. DIE LINKE wird in den Verhandlungen auch alle Forderungen nach gerechten Mindestlöhnen, gleichen Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen sowie nach mehr Schulsozialarbeitern unterstützen.
 
Es ist besondere Verantwortung der LINKEN zu verhindern, dass die Anhebung der Regelsätze einem politischen Kompromiss zu Lasten der Hartz IV-Beziehenden zum Opfer fällt. Wir werden keinem politischen Kuhhandel zustimmen, der minimale Zugeständnisse der Regierung bei Mindestlohn oder Leiharbeit und Bildungspaket mit einem Verzicht auf menschenwürdige Regelsätze erkauft.

linksfraktion.de, 12. Januar 2011