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Rechte Netzwerke - Der NSU war keine abgeschottete Gruppe

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"Brüder schweigen – bis in den Tod" prangte als Aufschrift auf dem T-Shirt des Angeklagten André Eminger im NSU-Prozess in München. Es war der Tag, als mit Thomas Gerlach ein führender Neonazi aus dem militanten Netzwerk der "Hammerskins" aussagen musste. Eminger gehörte zu den wichtigsten Unterstützern des Kerntrios des NSU. Er und seine Frau Susann waren mit Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos befreundet. Regelmäßig trafen sie sich in Zwickau, wo man gemeinsam von 2000 bis 2011 wohnte. Zusammen mit seinem Bruder Mike gehörte André Eminger zudem zur Neonazikameradschaft "Weiße Bruderschaft Erzgebirge", einer rassistisch ausgerichteten militanten Gruppierung.

So wie auf die Emingers konnten sich das Trio auf eine Reihe von Nazi-Freunden verlassen, die die drei bei der Flucht aus Jena, aber auch in all den Jahren der Terrorserie unterstützten. Der oben erwähnte Gerlach ist nicht nur "Hammerskin" und damit Mitglied einer der verschwiegensten und gewalttätigsten Gruppierungen der Neonaziszene, er war auch Mitglied im Thüringer Heimatschutz, der Gruppierung, aus der der NSU hervorging.

Blood & Honour - der sächsische Ableger war für das Trio zentral

Als wichtigstes Unterstützerumfeld der drei gesuchten Neonazis aus Jena erwies sich das "Blood & Honour"-Netzwerk, dessen sächsischer Ableger für das Trio zentral war. "Blood & Honour" (B&H) hatte sich in den 1980er-Jahren in Großbritannien im Umfeld einer extrem rechten Skinheadkultur gegründet und vor allem mittels Musik (u. a. Rechtsrock) für die Verbreitung neonazistischer Inhalte in der Jugendkultur gesorgt. Der deutsche Ableger gründete sich 1994, wurde jedoch bereits 2000 offiziell verboten, obwohl die Strukturen über lange Jahre und teils bis heute aufrechterhalten werden konnten.

Thomas Starke, "Blood & Honour"-Funktionär aus Sachsen, war 1998 die erste Anlaufstation des aus Jena geflohene Trios in Chemnitz. Starke hatte dem Trio bereits 1996 Sprengstoff besorgt, war zeitweise mit Beate Zschäpe liiert und sorgte dafür, dass die drei im Sächsischen Umfeld von B&H Unterkunft und Unterstützung fanden. Jan Werner, Sektionschef von B&H-Sachsen, war es, der sich auf die Suche nach Waffen für das Trio machte.

Ideologisch teilte man die Vorstellung eines bewaffneten "Rassekampfs" und die Bereitschaft zur Gewalt. Innerhalb des internationalen B&H-Netzwerkes kursierten zahlreiche Anleitungen ("Der Weg vorwärts", "Feldhandbuch" u.v.a.m.) zum "Führerlosen Widerstand" und zu terroristischen Aktionen kleiner Gruppen. Die Ausführungen dort lesen sich teilweise wie die Blaupause der Mord- und Anschlagserie des NSU. Die ersten beiden Versionen des Bekennervideos des NSU waren mit Musik der B&H-Band "Noie Werte" unterlegt.

Wer half bei der Auswahl der Anschlagsorte und Mordopfer?

"Combat 18" gilt als bewaffneter Arm des B&H-Netzwerkes. In Großbritannien gingen mehrere Bombenanschläge in migrantisch geprägten Vierteln auf das Konto der Gruppe. Für den NSU waren sie Vorbild, z.B. beim Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln.

Der Dortmunder Neonazi-Band "Oidoxie" wurde ein besonders enger Bezug zum militanten "Combat 18"-Netzwerk nachgesagt. Bezüge der Band und ihres Umfeldes gab es sowohl nach Dortmund als auch nach Kassel, den beiden Städten, in den 2006 innerhalb von zwei Tagen Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat vom NSU ermordet wurden. Unbestätigte Gerüchte besagten, Mundlos und Böhnhardt seien 2006 bei einem Konzert der Band in Kassel anwesend gewesen. Bis heute steht die wichtige Frage im Raum, ob und welche lokalen Nazistrukturen dem Trio bei der Auswahl der Anschlagsorte und Mordopfer halfen.

Denn entgegen des Urteils im Prozess in München und der ganz auf das engste Umfeld bezogenen Anklage, sah sich der NSU nicht als abgeschottete klandestine Gruppe, sondern als "Netzwerk von Kameraden", wie es im Bekenner-Video heißt.