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Quote beschlossen – Feminismus erledigt?

Im Wortlaut von Cornelia Möhring,

 

Von Cornelia Möhring, stellvertretende Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


So könnte mancher meinen und würde gern auch weitere gute Taten hinzufügen: Das Elterngeldplus ist beschlossen. Dürftige Weichen würden für eine verbesserte Familienpflege gestellt. die rezeptfreie “Pille danach” rollt nun hoffentlich aus Europa über Gesundheitsminister Gröhes Widerstand hinweg. Klingt nach vielen kleinen Schritten. Und jeden einzelnen begrüßen wir. Doch das täuscht über die eigentlichen Problemlagen hinweg.

Das Quotengesetz ist eine herbe Enttäuschung. Da werden nun maximal 180 Frauen für die börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Aufsichtsräte gesucht. Doch der Preis für dieses Vorzeigeprojekt ist hoch. Die bisher geltenden Frauenquoten in den Bundesgremien wurden durch Geschlechterquoten ersetzt. Die strukturelle Benachteiligung von Frauen in Gesellschaft und Wirtschaft wird einfach geleugnet. Wirksame Instrumente dagegen sind aus dem Gesetz verschwunden.

Noch gravierender sind alle Probleme, die Frauen auch jenseits der Führungsebenen die gleiche Teilhabe bis heute verweigern. Der Gender Pay Gap scheint seit Jahrzehnten in Beton gegossen. Frauen bekommen 22 Prozent weniger Geld für die gleichen Tätigkeiten. Überdies werden die sogenannten typischen Frauenberufe in der Pflege und der Erziehung, in der Dienstleistung, ob haushaltsnah oder –fern, mies bezahlt. Dem Gender Pay Gap folgt der Gender Pension Gap auf dem Fuße. Frauen sind beim Einkommen, bei der für sie selbst verfügbaren Zeit, in der politischen Repräsentation benachteiligt.

Es gibt weitreichende Diskriminierungstatsbestände – hierzulande und global. Anfang des Jahres 2014 erschien in Europa eine Studie. Ergebnis: Jede dritte Frau in Deutschland hat Gewalt erlebt. Die Hilfestrukturen liegen trotz Notfalltelefon am Boden. Die Regierung unternimmt nichts Substanzielles.

Ein Roll Back gegen sexuelle und reproduktive Rechte von Frauen ist im vollen Gange. Sexismus wird weiterhin zum individuellen Problem verniedlicht. Medien beteiligen sich massiv an rosagefärbten Frauenbildern, den Barbiemodelträumen und der Fremdbestimmung weiblicher Körper.

Wenn das Jahr 2015 ins Land geht, arbeiten Frauen noch immer – im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen bis Mitte März de facto ohne Vergütung. Überdies verrichten viele schweigend den Löwenanteil an Reproduktionstätigkeiten. Frauen ohne Papiere und in schwierigen Lebenslagen werden ausgebeutet und dies alles vor unserer Haustür.

Doch Anfang März werden die Sonntagsreden zur Zeitsouveränität, zum Kita-Ausbau, zu unseren tollen Frauen, die wir mehr wertschätzen und anerkennen müssen, geschwungen. Sorgen wir 2015 dafür, dass nach dem 8. März – dem Internationalen Frauenkampftag – nicht wieder Stille in die Auseinandersetzungen einkehrt! Viele junge Frauen (und auch Männer) haben das längst erkannt, nennen sich angstfrei Feministinnen, bloggen, vernetzen sich und sind sichtbar, um zu zeigen: Nichts ist erledigt, schon gar nicht die vielen Grundforderungen einer engagierten feministischen Politik. Sie hat nicht zum Ziel, das Frauen wie Männer werden, sondern dass alle Geschlechter gleichberechtig sind. Zu leben, was sie wollen. Zu lieben, wen sie wollen. Sorge als gute Erfahrung zu erleben, Mitmenschlichkeit zurückzugewinnen und auch Zeit und Geld für gute Ideen und eine eigene Lebensgestaltung zu haben. So werde ich einmal mehr Grethe Nestor zitieren: „Die größte Gefahr für die Gleichberechtigung ist der Mythos, wir hätten sie schon.“