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Eine Frau hält sich mit von Schmerz gezeichnetem Gesichtsausdruck die Fingerspitzen an die Schläfen. | Foto: © istock.com/MaridavFoto: istock.com/Maridav

Psychische Erkrankungen: Ältere Beschäftigte im Gesundheitswesen besonders stark betroffen

Nachricht von Jutta Krellmann,

Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht (+213 Prozent). Das zeigt die Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Alternde Belegschaften und psychische Belastungen bei der Arbeit“ von Jutta Krellmann.

Die Betroffenheit von älteren Beschäftigten ab 45 Jahren ist um mehr als drei Viertel höher, als bei Jüngeren. Frauen sind um etwa zwei Drittel stärker betroffen als Männer. Ältere Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen sind mehr als doppelt so häufig wegen psychischer Erkrankungen krankgeschrieben, als im Durchschnitt aller Branchen und Altersgruppen. Die am stärksten betroffene Beschäftigtengruppe sind ältere Frauen im Gesundheits- und Sozialwesen.

Jutta Krellmann, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Fraktion DIE LINKE: „Es ist ein Offenbarungseid: Diejenigen, die wir am meisten brauchen, brennen am schnellsten aus. Bessere Arbeitsbedingungen in Gesundheit, Pflege und sozialen Berufen sind überfällig. Wettbewerb und Markt haben in diesen Bereichen nix zu suchen. Leider hat es eine Corona-Pandemie gebraucht, damit sich diese Einsicht langsam durchsetzt.

Es ist höchste Zeit für einen besseren Arbeits- und Gesundheitsschutz in allen Bereichen der Wirtschaft. Die bestehenden Instrumente reichen nicht aus. Wir brauchen eine Anti-Stress-Verordnung, die Arbeitgebern klar vorschreibt, wie Beschäftigte vor Stress, Ermüdung und Monotonie zu schützen sind. Außerdem gilt es, die betriebliche Mitbestimmung auszuweiten. Starke Betriebsräte, die sich schützend einmischen können, sind die richtige Antwort auf Stress und Arbeitsverdichtung. Gerade dort, wo es keine Betriebsräte gibt, muss der Staat viel häufiger und zielgerichteter kontrollieren. Hierfür braucht es mehr Personal, digitale Ausstattung und Mut zu abschreckenden Bußgeldern. Hier muss die Bundesregierung die Länder entsprechend antreiben.“

Der Anteil Älterer (50+) an der Gesamtzahl aller Beschäftigten ist in den letzten zehn Jahren von etwa 29 auf knapp 37 Prozent gestiegen, die Anzahl älterer Beschäftigter ist um fast die Hälfte angewachsen. Der Anteil älterer sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter im Gesundheits- und Sozialwesen ist von 25 Prozent im Jahr 2009 auf 35 Prozent im Jahr 2019 gestiegen. Bei ausschließlich geringfügig Beschäftigten ist der Anteil im selben Zeitraum von 38 auf 57 Prozent gestiegen. 

Die Anzahl der Ausfalltage aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen hat sich von 27,3 Millionen Ausfalltagen im Jahr 1998 auf 111,8 Millionen Ausfalltage im Jahr 2018 erhöht. Die anteiligen Produktionsausfallkosten am Bruttonationaleinkommen haben sich in diesem Zeitraum mit 13,3 Milliarden € vervierfacht. Jede vierte Frühberentung geht auf die Diagnose „Psychische Störungen“ zurück, mit steigender Tendenz.

Wesentliche arbeitsbezogene Stressoren sind Zeit- und Leistungsdruck, Multitasking, häufige Unterbrechungen, geringe Kontrolle über die Arbeit, unfaire Entlohnung, Monotonie und Arbeitsplatzunsicherheit sowie nicht zuletzt Mobbing und schlechte Führung. Vor allem ältere Beschäftigte zeigen negative Körperreaktionen auf Stress, insbesondere wenn sie nicht über hinreichende Bewältigungsstrategien verfügen. Mit zunehmendem Alter steigt die Belastung durch häufigen Termin- oder Leistungsdruck, durch das Betreuen von verschiedenen Arbeiten gleichzeitig, man arbeitet häufiger an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit und hat öfter Probleme, nach der Arbeit abschalten zu können.

Zur Vermeidung von Gefährdungen kommt der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychische Belastungen eine große Bedeutung zu, erklärt die Bundesregierung. Aber nur fünf Prozent aller Betriebe setzen die Gefährdungsbeurteilung vollständig um. Etwa drei von zehn Betrieben führen Gefährdungsbeurteilungen durch, ohne psychische Belastungen zu berücksichtigen. In Betrieben mit Betriebsrat werden Gefährdungsbeurteilungen häufiger durchgeführt.


Ergebnisse im Einzelnen [PDF]