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Foto: Rico Prauss

Politikwechsel kommt nicht ohne DIE LINKE

Interview der Woche von Dietmar Bartsch,

Fraktionsvize Dietmar Bartsch vermutet, dass sich die Bundesregierung vom Wahlausgang in NRW nicht wirklich beeindrucken lässt. Vom bevorstehenden Bundesparteitag am 15. und 16. Mai in Rostock erwartet er konkrete politische Aufträge für die Bundestagsfraktion.

Wie bewerten Sie das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen?

Das ist erstens eine schwere Schlappe für die schwarz-gelbe Bundesregierung und für Frau Merkel persönlich. Wobei ich hinzufügen muss, dass wir noch nicht einmal in der Mitte der Legislaturperiode sind. Da riskieren neoliberale Regierungen und Parteien für gewöhnlich, die Bürgerinnen und Bürger mit den sogenannten alternativlosen Maßnahmen zu verärgern, sprich: Sozialabbau und Umverteilung von unten nach oben. Wir werden das nach der Landtagswahl und vor der massenmedial aufgebauten Drohkulisse Griechenland, Spanien, Portugal usw. schmerzhaft erleben. Zweitens kann der Erfolg unserer Partei gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Krisenzeiten wie die aktuelle sind Zeiten der Sorge und der Angst. Angst aber gebiert gleichermaßen Hoffnungen an die Politik, also an den Staat, wie eine entsprechend große Skepsis. Beides sind Erwartungen, die eher passive Haltungen bestärken. Wir als LINKE aber wollen verändern, dazu brauchen wir viele aktive Menschen - in der Partei wie in der Wählerschaft. Ich kann es auch kürzer so sagen: Wir mussten mobilisieren und wir haben mobilisiert. Eine starke Leistung vor allem der Genossinnen und Genossen vor Ort, denen ich herzlich gratuliere.

Welche Auswirkungen hat das Ergebnis der Landtagswahl auf die Politik in diesem Land?

Was das für NRW bedeutet, werden wir nach den Koalitionsverhandlungen sehen. Die SPD hat nicht nur aus machttaktischen Gründen gegen uns Wahlkampf geführt, sondern auch, weil sie unsere politischen Vorstellungen und Ziele nicht teilt, was letztendlich die Schlussfolgerung nahelegt, dass es mit einer Regierung mit der SPD und ohne DIE LINKE in NRW zu keinem Politikwechsel kommen wird.

Wie wirkt sich das Ergebnis auf die Bundesregierung aus?

Die Bundesregierung wird sich nicht wirklich vom Ausgang dieser Wahl beeindrucken lassen. Die FDP wird sich rascher und konsequenter der Unionslinie unterordnen. Mittelfristig ist auch nach dem Stabilisierung verheißenden Abschneiden der SPD bundespolitisch noch nicht zu sagen, wohin sich die SPD entwickeln wird. Nur eines steht nun fest: Gabriel, Nahles und auch Steinmeier werden sich weiterhin der Frage nicht entziehen können, wie sie im Bund angesichts einer Partei links von ihnen, die das Thema der sozialen Gerechtigkeit, das der entschiedenen Regulierung der Finanzmärkte und auch das des Friedens glaubwürdig vertritt, wieder mehrheitsfähig werden können.

Bietet das Ergebnis die Chance, über den Bundesrat die Kräfteverhältnisse in Deutschland nach links zu verschieben?

Natürlich, wenn die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat verloren ist, dann muss die Bundesregierung auf einige ihrer zentralen Projekte wie die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke, Kopfpauschale, Steuersenkungen in der bisherigen Form verzichten. Allerdings beherrscht Frau Merkel die Salamitaktik der Politik recht gut, sie wird Wege finden, ohne den Bundesrat bemühen zu müssen, ihre Ziele zu erreichen.

Vor welchen Herausforderungen steht die Bundestagsfraktion DIE LINKE in den nächsten Wochen und Monaten?

Die Fraktion hat eine dienende Rolle gegenüber der Partei. Sie muss den Zuspruch von 11,9 Prozent bei der letzen Bundestagswahl in eine erfolgreiche Oppositionsarbeit umsetzen. Insofern bei der Landtagswahl in NRW auch eine Rechnung mit der Bundesregierung beglichen worden ist, verstehe ich den Stimmenzuwachs für DIE LINKE auch als eine Bestärkung der Bundestagsfraktion, noch konsequenter, erfolgreicher sowie hör- und sichtbarer, kenntlicher den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.

Welche Aufgaben wird der Bundesparteitag, der am 15. und 16. Mai in Rostock stattfindet, an die Bundestagsfraktion formulieren?

Es werden hauptsächlich drei Aufgaben sein: Erstens wird der Parteitag die politische Grundlinie der Partei und deren Agenda, der sie seit ihrer Gründung im Sommer 2007 gefolgt ist, bestätigen. Wir bleiben bei unsern Zielen aus dem Bundestagswahlkampf 2009, die uns mit Losungen wie »Raus aus Afghanistan!«, »Hartz IV abwählen!« und »Nein zur Rente mit 67!« so populär gemacht haben. Zweitens werden wir als Fraktion vom Parteitag den politischen Auftrag bekommen, die Kampagne der Partei zur Gesundheitsreform, die Antiprivatisierungs- und Rekommunalisierungskampagnen und die Aktivitäten der Partei gegen Krieg, Sozial- und Demokratieabbau parlamentarisch zu unterstützen.

Und die dritte Aufgabe?

Der Parteitag wird alle Mitglieder und Gliederungen und indirekt auch alle Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger darauf orientieren, den Parteiaufbau, das Zusammenwachsen in Pluralität, die Konsolidierung der noch jungen Partei zu forcieren. Die Bundestagsfraktion hatte und hat bis heute für die Kultur der Partei eine gewisse Vorreiter- und Vorbildfunktion. Das sollte sie für die neue Phase der Parteientwicklung auch haben.

Die Delegierten des Bundesparteitags werden aller Voraussicht nach eine quotierte Doppelspitze mit der Führung der Partei beauftragen. Wann kommt die Doppelspitze für die Bundestagsfraktion?

Darüber werden wir nach dem Parteitag sprechen und entscheiden.

linksfraktion.de, 10. Mai 2010