Zum Hauptinhalt springen

Ostdeutscher Arbeitsmarkt auch im 25. Jahr nach der Einheit schwierig

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Im 25. Jahr der Deutschen Einheit ist die Situation auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt weiter schwierig. Das geht aus einer Anfrage der LINKEN an die Bundesregierung hervor. Zwar sank in den vergangenen Jahren die Zahl der registrierten Arbeitslosen. Aber dies geht kaum auf neu entstandene Beschäftigung zurück. Hunderttausende wanderten ab, ein schrumpfendes Arbeitsvolumen wurde auf mehr Köpfe verteilt. Wegen zu geringer Wirkung von Tarifverträgen drohen auf lange Zeit deutliche Verdienstunterschiede.

Dazu erklärt Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag: „Die Situation auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt kann nicht zufrieden stellen. Wie die Bundesregierung zu ihren Jubelmeldungen kommt, ist mir rätselhaft. Ostdeutschland darf nicht zum Billiglohnland mit einem hohem Sockel an verfestigter Langzeiterwerbslosigkeit verkommen.“

Zimmermann weiter: „Die Bundesregierung ist gefordert ein Konzept für einen nachhaltigen Wirtschafts- und Beschäftigungsbau vorzulegen, das auch den strukturschwachen Regionen Westdeutschlands helfen kann. Daneben brauchen wir eine gewerkschafts- und tarifpolitische Offensive, um bei der Angleichung der Löhne und Arbeitszeiten einen größeren Schritt vorwärts zu kommen.“

 

Im Einzelnen:

 

Zwar ist die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland von 1992 bis 2014 deutlich um 455.462 oder 35,6% auf 823.835 gesunken. Dies ging aber kaum auf neue Beschäftigung zurück. Wesentlich war einerseits die Abwanderung nach Westdeutschland, vor allem bis zum Beginn des neuen Jahrtausends. Unter dem Strich zogen bis 2013 1.046.014 mehr Menschen von Ost nach West, 853.885 im Alter zwischen 18-65 Jahren. Zum anderen entstand kaum mehr Arbeit, sondern wurde lediglich auf mehr Köpfe verteilt. Nach einem rapiden Beschäftigungsabbau wächst seit 2005 zwar wieder die Zahl der Jobs. Aber dies reichte nicht, um die vorherigen Verluste auszugleichen. 2014 gab es 5,681 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in Ostdeutschland. Das sind immer noch 997.633 oder 15 Prozent weniger als 1992.

Und in den zurückliegenden Jahren entstand kaum neue Arbeit. Seit dem das Arbeitsvolumen im Jahr 2000 erfasst wurde, ging dieses sogar bis 2014 um 810 Millionen Stunden oder -6,8% zurück. In Westdeutschland gab es dagegen ein Plus von 2,9%. Hinter den Beschäftigungserfolgen der vergangenen Jahre verbirgt sich schlicht, dass die vorhandene Arbeit auf mehr Köpfe verteilt wurde. Vollzeitjobs gingen von 2001 bis 2014 um 546.295 oder -11,8% zurück, sozialversicherungspflichtige Teilzeitjobs nahmen um 668.833 oder 77,0% auf 1.537.075 zu, Minijobs um 180.476 bzw. 23,6% (2003-2014).

Zudem gibt es weiterhin beträchtliche Lohnunterschiede. Obwohl die Tarifverdienste zu 97 Prozent angeglichen sind, liegen die Effektivverdienste bei nur 78 Prozent. Der Grund ist die geringere Tarifbindung in den ostdeutschen Bundesländern. In nur jedem fünften Betrieb und für 47 Prozent der Beschäftigten kommen Tarifverträge zur Anwendung. Im Westen ist das bei jedem dritten Betrieb und 60 Prozent der Beschäftigten der Fall. Deshalb sei es wichtig, stärker die Gewerkschaften zu unterstützen und gegen prekäre Beschäftigung vorzugehen. Tarifverträge müssen leichter für alle Beschäftigten allgemeinverbindlich erklärt werden können, anders als heute auch gegen ein Veto der Arbeitgeberverbände, so Zimmermann.

Die Abgeordnete weist ferner darauf hin, dass aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, dass die tatsächliche Erwerbslosigkeit deutlich höher ist, als die offizielle Arbeitslosenstatistik wiedergibt. Zählt man Personen mit, die in Maßnahmen oder vorübergehend erkrankt sind, gab es 2014 1,11 Millionen Erwerbslose statt 824.000. Die Unterbeschäftigungsquote lag mit 12,8 Prozent deutlich höher als die Arbeitslosenquote von 9,8 Prozent. Dazu kommt noch die Stille Reserve von 280.000 Personen. Das sind 30 Prozent der stillen Reserve in Deutschland, dabei liegt der Ostanteil am Erwerbstätigenpotential nur bei 20 Prozent.

Bei einem gesamtwirtschaftlichen Angebot von 235.000 Stellen im Jahr 2014, kamen rechnerisch 3,5 Arbeitslose auf eine offene Stelle. Zieht man die Unterbeschäftigung heran, kommen 4,7 Erwerbslose auf eine offene Stelle.

Die verfestigte Langzeiterwerbslosigkeit ist mit langandauernden Hartz IV-Bezug und Armut verbunden. In Ostdeutschland haben 75,4 Prozent der erwerbsfähigen Hartz IV-Beziehenden in den zurückliegenden zwei Jahren 21 Monate Leistungen bezogen, in Westdeutschland waren es „nur“ 67,9 Prozent. Die Armutsgefährdung liegt im Osten mit 10,4 Prozent deutlich höher als im Westen mit 6,8 Prozent.

Kontraproduktiv für die Entwicklung war sicherlich auch der starke Abbau in der Arbeitsförderung. Mit den Hartz-Reformen ist die berufliche Weiterbildung eingebrochen. Danach stiegen die Teilnehmerzahlen bis zum Jahr 2009 kurz auf 191.906 an und gingen seitdem kontinuierlich zurück auf zuletzt 105.408 im Jahr 2014. Das ist ein Minus von 45 Prozent (bei einem offiziellen Rückgang der Arbeitslosigkeit um 25%).

linksfraktion.de, 5. Oktober 2015