Kultur ist der Kit einer Gesellschaft, das Salz in der Suppe. Doch wie sieht es mit der Wertschätzung derjenigen aus, die auf und hinter der Bühne arbeiten? Unter welchen Bedingungen produzieren und leben sie? Ein öffentliches Fachgespräch darüber lüftete in dieser Woche den Vorhang.
Von Gisela Zimmer
Abends ins Theater oder ins Konzert. Gern lassen wir uns von der Musik und vom Spiel auf der Bühne betören, gehen beseelt, nachdenklich oder schmunzelnd nach Hause. „Dass es heutzutage nicht leicht ist, als Künstlerin und Künstler zu leben, habe ich geahnt“, äußerst eine ältere Dame während des öffentlichen Gesprächs „Arbeiten für die Bühne“. Aber dass es „so schwer“ sei, hätte sie „nicht gewusst“. Oder wissen Sie, dass an den Theatern im zweigeteilten Tagesdienst gearbeitet wird? Häufig von 10 bis 14 Uhr, dann wieder von 18 bis 22 Uhr. Nicht selten sogar bis 23 oder 24 Uhr. Zählt Text lernen, Kostümprobe, Abschminken zur Arbeitszeit? Man könnte meinen ja, aber welches Theaterhaus rechnet diese Zeit wirklich in die ohnehin schon festgeschriebene 48-Stunden-Woche ein? Wie geht so ein Arbeitsalltag mit Kind? Anica Happich hat eine zweieinhalbjährige Tochter. Als festes Ensemblemitglied am Theater Bielefeld beträgt ihre monatliche Bruttogage 2.300 Euro. Davon gehen allein für die abendliche Betreuung pro Monat 600 Euro weg. Die Kitakosten tagsüber kommen da noch obendrauf. Ohne ihre Eltern, die sie finanziell unterstützen, ginge das alles gar nicht.
Zahlen, Fakten, Daten – alles kam auf den runden Tisch, an den Simone Barrientos, kulturpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, in den Bundestag eingeladen hatte. Freie und feste Bühnenkünstler und -künstlerinnen (Schauspiel und Orchester) waren ebenso dabei wie Experten und Expertinnen aus Wissenschaft, künstlerischen Netzwerken und Verbänden, Förderfonds, aber auch einfach nur Kulturinteressierte. Ähnlich wie die schon zitierte Frau, die Theaterbesuche und Konzerte „als Lebensmittel“ für sich im Alltag braucht. Es war eine offene, selbstbewusste, mutige und kritische Debatte. Kein lamentieren, kein sich selbst bejammern. Denn egal, ob musizierende oder darstellende Kunst, die Betroffenen lieben ihren Job. Absolvierten dafür eine lange und teure Ausbildung, nehmen jedes Mal neu harte Auswahlverfahren in Kauf, machen Abstriche im Privatleben und können gut mit ihren Zeitverträgen bzw. den selbsterdachten Projekten leben. Und doch grenzt alles mittlerweile an Selbstausbeutung. Das bundesweite Ensemble Netzwerk stellte fest: „Die soziale Situation der angestellten und freischaffenden Künstler*innen und künstlerischen Mitarbeiter*innen an den Landes-, Stadt- und Staatstheatern hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verschlechtert“. In Zahlen ausgedrückt sieht das so aus: „50 % weniger „Künstler*innen machen 50 % mehr Veranstaltungen für 50 % weniger Gage“.