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Ökosteuer: Keine Geschenke an die Industrie

Im Wortlaut von Dorothée Menzner,

Von Dorothée Menzner

 

 

 

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf beschlossen, nachdem die energieintensive Industrie bis 2022 weiter von wesentlichen Teilen der Energieabgaben ausgenommen werden soll. Die energieintensive Industrie in Deutschland ist in ihrer Lobbyarbeit sehr erfolgreich, wenn es darum geht, bei wesentlichen Gesetzesvorhaben zu ihren Gunsten Lücken und Ausnahmetatbestände zu schaffen. Als Begründung für die so massenhaft entstehenden „Industrie-Rabatte“ dient in der Regel der Hinweis, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen solle erhalten werden. Ihr Preis für diese Gefälligkeit: eine unambitionierte Verpflichtung zum Energiesparen, die selbst bei strikter Einhaltung nicht zum gewollten Effizienzziel bis 2020 führen kann.

Der ehemalige Wirtschaftsminister Brüderle und auch der jetzige Wirtschaftsminister Rösler pochen dabei auch auf die Eigenverantwortung und die Freiwilligkeit, mit der die Industrie selbst für Energieeinsparungen sorgen soll. Dabei unterlassen sie es fleißig, wirkungsvolle verordnungsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, die für die Industrie tatsächlich die nötigen Impulse schaffen würden, um über Systemverbesserungen nachdenken zu müssen.

Es ist niemandem zu vermitteln, dass unsoziale, milliardenschwere Besserstellungen bei den Energiekosten – zum Beispiel die Quasi-Freistellung der Industrie von der EEG-Umlage – Anreize sein sollen, Energie einzusparen. Auf so etwas kann man nicht vertrauen. In einer freien Marktwirtschaft, und das zeigt sich permanent am internationalen Finanzmarkt, funktioniert eben nicht alles nach größtmöglicher Moral und mit ungebrochenem Verantwortungsbewusstsein gegenüber Mensch und Natur, sobald es um die Vermehrung von Konzernprofiten geht. Man muss sich fragen, woher die Bundesregierung die Gelassenheit und das Vertrauen in den freien Markt nimmt – der sich an anderer Stelle als nicht mehr kontrollierbar und für die Politik unerreichbar herausgestellt hat und jetzt Millionen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in die Pflicht der Schuldenbürgschaft und in die Haftung nimmt.

Das Volumen der Industrie-Rabatte beträgt unterdessen allein in diesem Jahr neun Milliarden Euro. Neun Milliarden Euro, die stattdessen private Haushalte und kleine Unternehmen aufbringen müssen. Von denen wird jedes Jahr 600.000 zeitweilig oder dauerhaft der Strom abgestellt, weil sie sich die seit Jahren steigenden Energiekosten nicht mehr leisten können. Dieser Zustand der Verteilungsungleichheit ist unsozial und ungerecht. Vor allem, wenn man weiß, dass ein nicht unerheblicher Teil der Industrie-Rabatte keineswegs nur die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und damit Arbeitsplätze absichert, sondern direkt zu Extraprofiten führt.

Es geht uns keineswegs darum, die Ausnahmetatbestände komplett abzuschaffen und damit tatsächlich Unternehmen in den Ruin zu treiben. Vielmehr müssen die Ermäßigungen für die energieintensive Industrie im Rahmen von umweltpolitischen und sozialpolitischen Regulierungen auf ein angemessenes Niveau heruntergefahren werden. Angemessen bedeutet für uns, dass die hochproduktiven und damit wertschöpfenden Arbeitsplätze selbstverständlich nicht in Frage gestellt werden dürfen. Ausnahmen und Ermäßigungen für die energieintensive Industrie müssen dann gewährt werden, wenn Unternehmen trotz fortschrittlicher Technologie ansonsten nachweislich Wettbewerbsnachteile im internationalen Wirtschaftsraum erlitten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Verlagerung der Produktion oder zu Insolvenzen führen würde.

Was wir nicht wollen, sind Steuerungsinstrumente, die zu Extraprofiten bei bestimmten Unternehmen führen. Auswirkungen angeblicher umweltpolitischer Regularien waren zum Beispiel die Extraprofite über sechs Milliarden Euro, die Energieversorger durch die Einpreisung kostenloser CO2-Zertifikate in den Strompreis machen konnten - auf Kosten der Verbraucher. Dementsprechend müssen also Privilegien für energieintensive Industrien gekürzt werden, durch die eine Mehrbelastung durch Energiepreise nicht nur entfällt, sondern sogar zu Sonderprofiten führt. Wir sehen hier eine Schieflage, die im Interesse der sozialen Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung von Unternehmen - und damit auch in gewerkschaftlichem Interesse – schleunigst korrigiert werden muss.

Die Bundesregierung missachtet mit ihrem neuerlichen Gesetzentwurf die zwei wesentlichen Aspekte der sozialen Energiewende: Die pauschale Fortschreibung der Energiesubventionen ist sozial ungerecht und liefert keine Anreize zum Energieeinsparen, und auch die unterentwickelte und vage Festschreibung von Einsparzielen ist viel weniger als möglich und nötig ist – und somit auch ökologisch wertlos.