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NSA not welcome!

Periodika,

Als Daniel Bangert erfuhr, dass der US-amerikanische Geheimdienst NSA in seiner Heimatstadt einen großen Stützpunkt betreibt, nahm er den Kampf auf.

Am Rande von Griesheim, einem Städtchen 35 Kilometer südlich der Bankenmetropole Frankfurt am Main gelegen, betreibt die US Army seit Jahrzehnten einen Stützpunkt: den Dagger Complex. Dass auf dem unscheinbaren Gelände die größte europäische Spionagezentrale des Geheimdienstes NSA liegt, erfuhren die meisten Griesheimer erst im vergangenen Jahr durch die Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden.   Als Daniel Bangert damals die ersten Berichte über die Geheimdienstzentrale in seiner Nachbarschaft las, wurde er neugierig. Der 29-Jährige informierte sich über die Praktiken der Spionagebehörde und tauschte sich mit Freunden aus. Doch bei stiller und folgenloser Empörung wollte er es nicht belassen. „Einer muss den Anfang machen“, dachte er sich und rief im Sommer 2013 den „NSA-Spion-Schutzbund“ ins Leben. Im Internet lud er Freunde und Bekannte zu einem Spaziergang vom Griesheimer Marktplatz zum Dagger Complex ein.   Preisverleihung für Edward Snowden   Kaum hatte er die Einladung veröffentlicht, standen bei ihm Polizei und Staatsschutz auf der Matte. Die misstrauischen Beamten, die eine formelle Anmeldung des Spaziergangs anmahnten und ihn vor möglichen Ausschreitungen warnten, versuchte er zu beschwichtigen: „Wir planen keine Demonstration, sondern einen Spaziergang, um Spione im Gehege zu betrachten.“ Daniel Bangert war und ist nicht auf Randale und Sachbeschädigung aus. Ihm geht es um Überzeugung und den Kampf um die Köpfe. „Sonst ginge die komplette Wirkung des Protests verloren“, erklärt er.    Im Juli 2013 fand der erste Spaziergang zum Dagger Complex statt, an dem knapp 100 Menschen teilnahmen. Daraufhin meldeten sich nationale und internationale Medien, Daniel Bangerts Name und Gesicht gingen um den Globus. Selbst seine US-amerikanischen Cousinen lasen darüber. „Zum Glück hatte ich gerade Urlaub und konnte mir mit einem kleinen Team die Arbeit aufteilen“, erinnert er sich. Eine Woche später folgten über 450 Menschen dem Aufruf, manche hatten schon in den 1980er Jahren für Abrüstung demonstriert.  Seither zieht Daniel Bangert beharrlich jeden Samstag zum Dagger Complex. Manchmal sind es nur wenige Mitstreiter, manchmal viele, so wie im Frühjahr 2014, als das überparteiliche Bündnis Demokratie statt Überwachung mehr als 400 Menschen mobilisieren konnte. Im Sommer folgte die symbolische Verleihung des ersten „Preises für besondere Verdienste um Grundrechte und Demokratie“ an Edward Snowden.   Daniel Bangert trägt gerne T-Shirts mit dem Abbild seines Vorbilds Edward Snowden. „Er hätte den Mund halten und einen bequemen Weg einschlagen können, aber er blieb sich treu und gab dafür alles auf“, sagt er. Dass die Bundesregierung Snowden nicht nach Berlin einladen will, hält er für ein Armutszeugnis. Sie reite auf einer vermeintlichen Straftat Snowdens herum und ignoriere, was für einen Dienst er der Menschheit mit seinen Enthüllungen erwiesen hat.  Auch ihm brachten seine Überzeugungen berufliche Nachteile. Jahrelang arbeitete Daniel Bangert als Haustechniker bei einem externen Dienstleister in der Europäischen Zentralbank (EZB). Nachdem er sich im Jahr 2011 mit dem kapitalismuskritischen Occupy-Camp vor der Frankfurter EZB-Zentrale solidarisierte, sah er sich unter Druck gesetzt. „Mir wurde nahegelegt, mit dem Protestieren aufzuhören, wenn ich meinen Job behalten wolle“, sagt er. Seinen Arbeitsplatz hat er mittlerweile verloren, derzeit absolviert er eine Umschulung zum Fachinformatiker für Systemintegration.   Daniel Bangert lässt sich nicht entmutigen. „Wenn wir nicht für unsere Rechte auf die Straße gehen, macht es keiner für uns“, sagt er. Deswegen wird er auch in den nächsten Monaten immer wieder samstags zum Dagger Complex ziehen, um gegen die Überwachungspraktiken der NSA zu protestieren.