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»Notfalls klagen wir in Karlsruhe«

Im Wortlaut von Petra Pau,

Petra Pau, für DIE LINKE Obfrau im Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die Hintergründe der dem so genannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) angelasteten Mordserie aufklären soll, mit einem Ausblick auf die bevorstehende Anhörung des Ausschusses in dieser Woche

 

Bevor wir zum NSU-Untersuchungsausschuss kommen, eine Frage: Spreche ich gerade mit einem Mitglied einer terroristischen Vereinigung, gegen das nach Paragraf 129 Strafgesetzbuch vorgegangen wird?

Petra Pau: Folgt man dem Amtsgericht Dresden, so müsste man das annehmen.

Kurz und knapp: Worum geht es?

Im Februar 2011 kam es – wie davor und danach – zu massenhaften Protesten gegen einen Nazi-Aufmarsch in Dresden. Die Polizei erfasste damals mehr als eine Millionen Handy-Verkehrsdaten, auch meine. Ich habe dagegen geklagt. Das Amtsgericht Dresden hat diese Überwachung erneut für rechtmäßig erklärt. Ich werde also weiter klagen.

Noch mal, damit ich es verstehe: Zigtausende demonstrieren gegen einen Nazi-Aufmarsch und werden dafür von Amts wegen als terroristische Vereinigung überwacht und verfolgt? Selbst die Vizepräsidentin des Bundestags?

Die Vizepräsidentin lassen wir mal weg, aber prinzipiell: Ja. So ist es.

Ist das normal?

Das sind sächsische Zustände anno 2012 und beileibe kein Einzelfall.

Kommen wir nun zum Untersuchungsausschuss des Bundestags zur NSU-Nazi-Mordserie…

…nur zur Erinnerung: Eine Neo-Nazi-Bande zog jahrelang raubend und mordend durch die Bundesrepublik Deutschland, unerkannt und unbehelligt.

Fünf der zehn Morde fanden in Bayern statt.

Richtig, und Bayerns Ex-Innenminister Beckstein, CSU, befand zuletzt, er und seine Behörden hätten alles richtig gemacht.

Worum geht es nun?

Um den Norden, konkret um Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Auch dort wurden Menschen aus germanisch-rassistischen Motiven hingerichtet. Und auch dort haben die Behörden offenbar versagt.

Ich las irgendwo, die Fahnder in Mecklenburg-Vorpommern hätten das Bundeskriminalamt gebeten, die Ermittlungen zu leiten.

Die Zurückhaltung der Bundesebene gehört zu den ungeklärten Fragen. Dazu werden wir diese Woche auch Herrn Bernhard Falk befragen. Er war in besagter Zeit Vizepräsident des Bundeskriminalamtes und unter anderem für den Staatsschutz zuständig.

Staatsschutz bedeutet offiziell auch Kampf gegen Rechtsextremismus, oder?

Ja. Nur, in den uns vorliegenden BKA-Akten zur NSU-Mordserie findet sich dazu nichts.

Kein Vermerk zur viel zitierten Spur 195, die auf die rechtsextreme Szene verweist?

Doch, einer: Kaffeesatzleserei hatte der Vizepräsident des BKA handschriftlich vermerkt.

Das klingt nach einer spannenden Zeugenbefragung…

…oder einer kurzen. Denn Herr Falk hat von BKA-Chef Ziercke nur eine beschränkte Aussagegenehmigung erhalten.

Wollte der nicht bedingungslos aufklären?

So las und hörte man es.

Und wie erklären Sie den Widerspruch?

Ich kann da vorerst nur spekulieren. Aber mit der Vernehmung des damaligen BKA-Vizes nähern wir uns der Schnittstelle zu den politisch Verantwortlichen.

Die da wären?

Zuerst die zuständigen Bundesinnenminister und das waren Otto Schily, SPD, und dann Wolfgang Schäuble, CDU.

Was macht DIE LINKE, wenn das BKA mauert?

Wir haben immer gesagt: Notfalls klagen wir beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Rechte des Bundestags ein.

Und nach der Sitzung des Untersuchungsausschusses am Donnerstag gibt es von Ihnen wieder einen Audio-Kommentar?

So wird es sein, und eine Protokoll-Notiz des Referenten der Fraktion DIE LINKE gegen Rechtsextremismus, Dr. Gerd Wiegel.

Interview: Rainer Brandt

linksfraktion.de, 11. Juni 2012