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Noch mehr NSU-Helfer?

Im Wortlaut,

129 Personen werden verdächtigt, das Terror-Trio unterstützt zu haben

Von Fabian Lambeck

Offenbar umfasst die Verdächtigenliste der möglichen NSU-Helfer weit mehr Namen als bislang bekannt. Zudem musste der Bundesinnenminister am Wochenende eingestehen, dass die Zahl rechter Straftaten im vergangenen Jahr erneut gestiegen ist.

Wie am Sonntag bekannt wurde, soll das Netzwerk der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) möglicherweise größer sein, als bislang angenommen. Nach Angaben der »Bild am Sonntag«, enthält eine Liste für den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages die Namen von 129 Mitgliedern der rechtsextremen Szene. Damit sind seit der letzten Bestandsaufnahme 29 Namen hinzugekommen. Und weitere könnten folgen, denn die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes sind noch nicht abgeschlossen.

Die auf der Liste Verzeichneten werden zum engeren und weiteren Umfeld des Trios gezählt. Zum harten Kern der NSU-Helfer zählen die Ermittler vier Personen. Zudem wird gegen ein Dutzend weiterer Beschuldigter noch ermittelt. Hinzu kommen zahlreiche Helfer, die direkt oder indirekt Kontakt mit den mutmaßlichen Nazi-Terroristen hatten. Die Unterstützer sollen unter anderem Geld, Waffen und falsche Papiere besorgt haben.

Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sagte der »BamS«, die neue Zahl der Namen auf der Liste sei »erschreckend hoch«. Nun müsse »schnell geklärt werden, ob es darunter Mitwisser der NSU-Verbrechen und weitere V-Leute gab«. Vielleicht sind weitere böse Überraschungen zu erwarten. Denn wie Edathy betonte, habe der Ausschuss vor einigen Tagen beschlossen, dass Bund und Länder die neue Namensliste auf bisher unentdeckte V-Leute des Verfassungsschutzes überprüfen sollen. »Es gibt bei einzelnen Personen unter den 29 noch Beratungsbedarf«, sagte Edathy dem »Tagesspiegel«. Immer wieder hatten in den vergangenen Monaten Berichte über die engen Beziehungen von V-Leuten zum NSU für Irritationen gesorgt.

Die Terrorgruppe wird für eine Mordserie an neun Geschäftsleuten mit migrantischen Wurzeln und einer Polizistin verantwortlich gemacht. Der Prozess gegen das einzige überlebende NSU-Mitglied Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer beginnt am 17. April in München. Die Bundesanwaltschaft prüft, ob weitere Personen angeklagt werden sollen. So könnten sich einige der auf der Liste aufgeführten vor Gericht wiederfinden.

Während sich die Politik noch mit dem Terror des NSU befasst, nimmt der Terror von Neonazis auf den Straßen weiter zu. Nach vorläufigen Zahlen wurde 2012 bei rechten Straftaten ein Anstieg um etwa vier Prozent verzeichnet, wie Bundesinnerminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dem »Tagesspiegel am Sonntag« sagte. Insgesamt zählte sein Ressort im vergangenen Jahr etwa 17 600 rechte Straftaten. Bei den rechtsextremen Gewaltdelikten gebe es einen Anstieg um rund zwei Prozent, so Friedrich. Der Minister kündigte an, er wolle mit den Ländern über die Erfassung rechtsextremer Gewalttaten sprechen. Hintergrund sind unterschiedliche Zahlenangaben zu den Todesopfern von Nazigewalt. So zählt die Amadeu-Antonio-Stiftung 183 Tote seit 1990 (nd berichtete), während die Regierung auf 63 kommt.

Auch der geplante NPD-Verbotsantrag sorgt für Kontroversen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte den geplanten Antrag der Länder. »Wir laufen Gefahr, ein Problem erst wieder zu erzeugen, das sich gerade von alleine löst.« Die Rechtsextremen hätten sich in Deutschland »zu normalen Zeiten immer selbst erledigt«. Die Bundesregierung stellt keinen eigenen Verbotsantrag. Die LINKEN-Abgeordnete Petra Pau warf Schäuble vor, er habe »aus dem NSU-Nazi-Desaster, das auch sein Versagen als Innenminister birgt, offenbar nichts gelernt«.

neues deutschland, 25. März 2013