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Niemand soll arm sein

Kolumne von Katja Kipping,

Foto: ddp images/CommonLens/Axel Schmidt

 

 

Von Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion und Vorsitzende der Partei DIE LINKE


Das Statistische Bundesamt hat in der vorigen Woche Zahlen zum Armutsrisiko im Einkommensjahr 2012 in Deutschland veröffentlicht. Danach sind besonders Erwerbslose (Armutsquote fast 70 Prozent), Alleinlebende (32 Prozent) und Alleinerziehende (35 Prozent), insbesondere Frauen, gefährdet.

Die Zahlen zum Armutsrisiko in Deutschland sind erschreckend. Trotz der wohlfeilen Worte aus der Regierung ändert sich am sehr hohen Risiko, in Armut zu fallen, nichts: Jede und jeder Sechste in Deutschland ist von Einkommensarmut bedroht (16 Prozent). Trotz öffentlichkeitswirksamer Auftritte und Versprechungen sinkt die Kinderarmut in Deutschland kaum.

Dieser Zustand der massenhaften Armutsgefährdung von Menschen ist von Bundesregierungen jeglicher Farbkombination in den vergangenen Jahren bewusst in Kauf genommen worden. Niedriglöhne, Leiharbeit, die Hartz-IV-Gesetzgebung, viel zu niedrige Sozialtransfers, – alles das sind Bausteine im festgefügten Armutssystem in Deutschland. Darüber hinaus: Viele Betroffene, die Anspruch haben, erhalten die einkommens- und vermögensgeprüften Sozialleistungen nicht. Bei Hartz IV erreichen die Leistungen ca. 50 Prozent nicht, bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind es sogar 68 Prozent. Beim Kinderzuschlag sind es ebenfalls 68 Prozent, die Anspruch auf diese Leistung hätten, sie aber nicht erhalten.

Auf der anderen Seite stoßen sich Konzerne und Banken auf Kosten der Allgemeinheit gesund. Die Lücke zwischen Arm und Reich wird nicht geschlossen. Der soziale Zusammenhalt und der sozialer Frieden sind scheinbar längst als hohes Gut aufgegeben worden.

Für DIE LINKE ist das nicht hinnehmbar. Armut darf es weltweit - auch in Deutschland - nicht geben. Und es gäbe einfache Mittel in Deutschland dagegen: Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn muss auf 10 Euro steigen. Es sind eine Mindestsicherung und eine Mindestrente von derzeit 1050 Euro einzuführen. Sofort muss das Sanktionssystem bei allen Grundsicherungen abgeschafft werden. Auch eine Kindergrundsicherung für alle Kinder und Jugendlichen in Höhe von 536 Euro gehört zu den Standards, die in Deutschland gelten sollen. Ebenso müssen die BAföG-Sätze erhöht werden. Die Förderung soll elternunabhängig und rückzahlungsfrei erfolgen, ein ausreichendes Studienhonorar eingeführt werden.

Wer die Armut abschaffen will, muss ein gerechtes Steuersystem schaffen. Unternehmen und Superreiche müssen ihrem Vermögen entsprechend in die Verantwortung genommen werden. Sehr hohe Einkommen müssen zugunsten unterer Einkommen umverteilt werden. Wie heißt es doch bei Bertolt Brecht: "Wäre ich nicht arm, wärst du nicht reich."

Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wer Armutsbekämpfung nicht als Lippenbekenntnis meint, sollte sich endlich zu einer Politik der Verwirklichung sozialer Bürgerrechte bekennen und demgemäß handeln.