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»Nieder mit dem Paragrafen 218!«

Periodika,

Es muss eine bewegende Premiere gewesen sein an jenem 31. Mai 1931 im Kino »Babylon«. Die Rufe mehrerer Frauen »Nieder mit dem Paragrafen 218« nach der Vorstellung sind überliefert und zeigten schon damals, wie sehr das Thema Abtreibung die Gemüter bewegte. Im Theater hatte das Stück. Im Theater hatte das Stück des Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf über den Abtreibungsversuch einer verzweifelten Schwangeren, die an dem Gift stirbt, schon 1929 großes Aufsehen erregt.

Auch wenn die Novemberrevolution 1928 den Frauen das Wahlrecht und die Weimarer Verfassung die »grundsätzliche« Gleichberechtigung gebracht hatte, die Selbstbestimmung über ihren Körper und ihr Leben blieb ihnen versagt. 1926 war statt der geforderten Streichung des Paragrafen 218 lediglich der Abbruch aus gesundheitlichen Gründen zugelassen worden.

Als Friedrich Wolf und die Ärztin Else Kienle 1930 unter dem Vorwand illegaler Abtreibungen verhaftet wurden, schlossen sich mehr als sechzig Organisationen unter der Leitung von Helene Stöcker zusammen, die 1905 mit ihrem »Bund für Mutterschutz und Sexualreform« als erste öffentlich die Abschaffung des Paragrafen 218 verlangt hatte. Die Massenproteste erreichten die Freilassung der beiden Verhafteten, die Kampagne gegen den Paragrafen 218 wurde schon vor 1933 verboten. Während der Nazizeit wurde das Abtreibungsrecht dann bis hin zur Todesstrafe verschärft.

Erst 1972 und nur in der DDR wurden die Forderungen aus der Weimarer Republik umgesetzt. Doch die Fristenlösung hatte nach dem Beitritt der DDR keinen Bestand. Was einst mit dem Aufschrei des Theaterstücks »Cyankali« einen Höhepunkt erfuhr, ist noch heute ein unbewältigtes Problem: Die fehlende Entscheidungsfreiheit der Frauen über eine Abtreibung.
Claudia v. Gélieu/Frauentouren