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»Nicht neue Verantwortung, sondern alte Interessen«

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Diskutierten für den Frieden: Abgeordnete und AktivistInnen
 

Am 24. Juni trafen sich Aktivistinnen und Aktivisten von über 20 Friedensorganisationen auf Einladung der Linksfraktion in Berlin zum mittlerweile 11. Friedenspolitischen Runden Tisch. In der intensiv geführten Debatte wurde deutlich, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Friedensbewegten und Linksfraktion für beide ist.

Zur Diskussion standen vor allem die zwei wichtigsten friedenspolitischen Themen dieses Jahres: der bevorstehende NATO-Gipfel in Warschau und die Veröffentlichung des Weißbuchs der Bundeswehr durch die Bundesregierung.

In der Diskussion zum Warschauer Gipfel, die durch Kathrin Vogler moderiert wurde, stand besonders die Eskalation des NATO-Vorgehens gegen Russland im Vordergrund. Reiner Braun, Sprecher der Kooperation für den Frieden, wies in seinem Vortrag auf die weiteren Aufmarschpläne der NATO im Osten Europas hin: „Sogar Harald Kujat und Manfred Ischinger schätzen heute ein, dass die Kriegsgefahr seit den 80er Jahren nicht mehr so groß war.“ Braun rief deshalb auf, mit der Friedensbewegung in Warschau gegen den NATO-Gipfel zu demonstrieren.

Der stellvertretende Parteivorsitzende Tobias Pflüger kritisierte in seinem Vortrag die jüngste Äußerung von Kanzlerin Merkel, wonach Deutschland sich noch mehr um eine langfristige Erhöhung der Rüstungsausgaben bemühen müsse. Diese Ansage kann man nur im Kontext der NATO-Forderung nach Erhöhung der Militärausgaben auf 2 Prozent des Bruttosozialprodukts verstehen – das würde für Deutschland nahezu auf eine Verdopplung des Militärhaushalts hinauslaufen. „Das ist die Ansage zu einem Kalten Krieg, Teil II“, stellte Pflüger fest.

In der Diskussion verwies Wolfgang Gehrcke, Leiter des Arbeitskreises Internationale Politik der Bundestagsfraktion, auf den 75. Jahrestag des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion. Die heutige Eskalation und die Reaktion Russlands darauf ließen sich ohne die Geschichte nicht verstehen. Er nannte es eine Schande, dass die Bundesregierung zu diesem Datum keinerlei Gedenken geplant habe.

Zur bevorstehenden Veröffentlichung des „Weißbuch der Bundeswehr“ sprach Lühr Henken, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag. Er kritisierte, dass der „Führungsanspruch Deutschlands in Europa“ und die Selbststilisierung als „globaler Gestaltungsmacht“ in diesem Text festgeschrieben werde. Es werde eine Akzentverschiebung geben, hin zur Übernahme von mehr „Verantwortung“ innerhalb von NATO und EU. Dazu passe etwa die führende Rolle bei der Aufstellung der NATO-„Speerspitze“ – eine ultraschnelle Eingreiftruppe im Rahmen der Nato Response Force.

Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der LINKEN, moderierte die Debatte. Sie verwies auf die immer größere Bereitschaft der Bundesrepublik als Teil von sogenannten „Ad-hoc-Koalitionen“ in asymmetrische Kriege im globalen Süden einzugreifen. „Es geht eben mitnichten um neue Verantwortung, sondern um alte Interessen“, betonte sie in Anspielung auf eine Rede des Bundespräsidenten Gauck vor der Münchner Sicherheitskonferenz 2014. Dass die Bundeswehr dafür in eine Rekrutierungsoffensive gegangen sei, ist kein Ausdruck von Stärke, sondern ein Beleg dafür, dass die Bundeswehr mit dieser Ausrichtung bei jungen Leuten heute wenig Anklang finden würde. „Unsere Aufgabe ist es, uns weiterhin allen Versuchen der Schaffung von Akzeptanz für das Militärische in Schulen und im öffentlichen Raum offensiv entgegenzustellen“, forderte Christine Buchholz.

In der Debatte verwies Hannelore Tölke von der Friedensorganisation DfG/VK auf eine Gegeninitiative, die dem PR-Programm der Bundeswehr ein Bild von sozial sinnvollen und wichtigen Berufe gegenüberstelle. Meike Capps-Schubert, die mit Veteranen der US-Armee zusammenarbeitet, wies darauf hin, dass in Deutschland sich vor allem arme Menschen ohne berufliche Perspektive rekrutieren lassen – etwas, das bei der US-Army längst Gang und Gäbe sei. „Hier müssen wir helfen, damit es endlich eine kritische Veteranenvereinigung wie zum Beispiel in den USA auch in Deutschland gibt“, forderte sie.

Die gelungenen Aktionen von Friedensbewegung und Linken zum „Tag der Bundeswehr 2016“, als auch die Zusammenarbeit bei der Vorbereitung größerer Aktionen wie jener gegen den Nato-Gipfel zeigen, dass der gegenseitige Austausch nicht nur notwendig ist, sondern auch erfolgreich sein.

linksfraktion.de, 8. Juli 2016