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Neuer Ärger um Jobcenter

Im Wortlaut,

Änderungsanträge der CDU-Länder gefährden Kompromiss

Von Fabian Lambeck

Die Reform der Jobcenter zur Betreuung der etwa 6,5 Millionen Hartz-IV-Bezieher steht auf der Kippe. Bereits seit Wochen streiten die Bundestagsfraktionen von FDP und SPD um eine Entfristung von Vermittlerstellen. Zu allem Überfluss wurde am Dienstag bekannt, dass die unionsgeführten Länder nun querschießen. Beim Bundesrat sollen mehr als 40 Änderungsanträge zum Jobcenter-Kompromiss eingegangen sein. Der Zeitplan zur Umsetzung der Reform gerät ernsthaft in Gefahr.

Manchmal platzt selbst der sonst so nüchtern wirkenden Bundesarbeitsministerin der Kragen: »Es muss jetzt Schluss sein mit Vorschlägen, die alles wieder in Frage stellen«, ermahnte Ursula von der Leyen (CDU) am Dienstag ihre Parteikollegen. »Wir dürfen jetzt nicht mehr das gute Gesamtpaket gefährden, das zwischen der Bundesregierung, Bundestagsfraktionen und den Ländern ausgehandelt wurde«, so die Ressortleiterin in einer Presserklärung.

Der Unmut von der Leyens richtet sich vor allem gegen einige unionsgeführte Bundesländer, die den mühsam ausgehandelten Kompromiss zur Reform der Jobcenter wieder in Gefahr bringen. So wurde am Dienstag bekannt, dass mittlerweile schon über 40 Änderungsanträge zum Jobcenter-Paket beim Bundesrat vorliegen. Die Länder drängen vor allem auf mehr Einfluss gegenüber dem Bund. Damit gerät der ehrgeizige Zeitplan der Ministerin in Gefahr. Ginge es nach von der Leyen, so würde die Länderkammer am 9. Juli - und somit noch vor der Sommerpause - grünes Licht für die Neuordnung der Jobcenter geben.

Die Zeit drängt: Bis Januar 2011 muss die Reform stehen, so verlangt es das Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe hatte bereits im Dezember 2007 entschieden, dass die Kooperation von Bund und Kommunen in den bundesweit etwa 350 Jobcentern verfassungswidrig sei. Die Richter sahen hier eine nicht zulässige »Mischverwaltung«, weil der Bürger nicht erkennen könne, welche Leistung er von welcher Behörde erhalte. So sind die Kommunen für die Kosten der Unterkunft verantwortlich, während der Bund für die Arbeitsvermittlung zuständig ist.

Trotz des Zeitdrucks schachern einige Länderfürsten nun um Details des Kompromiss-Pakets. Am 7. Juni wird die Bund-Länder-Arbeitsgruppe über deren Änderungswünsche beraten. Danach sollen das Gesetz zur Reform der Jobcenter und die Grundgesetzänderung im Bundestag beschlossen werden. Doch selbst im Parlament streitet man derzeit erbittert um Details. Der Zwist dreht sich um die Entfristung von 3200 Vermittlerstellen in den Jobcentern. Die SPD behauptet, die Entfristung sei Teil der Vereinbarung mit der schwarz-gelben Koalition gewesen. Aber vor allem die FDP will von einer solchen Zusage nichts wissen, da eine Entfristung mögliche Stellenstreichungen bei den Jobcentern erschweren würde. Bereits zweimal ließen Union und FDP das Thema von der Tagesordnung des Ausschusses für Arbeit und Soziales streichen.

Das Beharren auf einem eigentlich nebensächlichen Detail verwundert. Schließlich sind die schwarz-gelben Koalitionäre auf die Sozialdemokraten angewiesen. Die für eine Jobcenter-Reform notwendige Grundgesetzänderung ist nur mit den Stimmen der SPD möglich. Sowohl im Bundestag als auch in der Länderkammer muss der Eingriff in die Verfassung mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgesegnet werden.
Ohne Neuregelung müssten alle Jobcenter ab Januar 2011 in Zuständigkeiten für Arbeitsagenturen und Kommunen aufgespalten werden. Auch die von der Union bevorzugten 69 Optionskommunen, die die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in Eigenregie übernehmen, würden dann ihren Rechtsstatus verlieren. Und das dürfte eigentlich nicht im Sinne der CDU sein.

Neues Deutschland, 26. Mai 2010