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Neuen Generationen die berührende Geschichte zeitgemäß nahebringen

Im Wortlaut von Petra Pau,

Der Bürgermeister von Rotterdam und Petra Pau weihen im Ortsteil Hoek van Holland eine Skulptur ein, die an die so genannten Kindertransporte erinnert, mit denen Jahren 1938/39 zehntausend jüdische Kinder vor den Nazis gerettet wurden.

 

Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestages, über ihren Aufenthalt in Amsterdam und Rotterdam


Sie waren als Vizepräsidentin des Bundestages zwei Tage in den Niederlanden?

Petra Pau: Ich war gebeten worden, gemeinsam mit dem Bürgermeister von Rotterdam eine Skulptur einzuweihen, die an die Kindertransporte erinnert.

Welche Kindertransporte?

1938/39 gab es dank britischer Initiativen für 10 000 jüdische Kinder die Chance, Nazi-Deutschland zu verlassen. Sie entkamen so dem drohenden Holocaust. Diese Rettungsaktionen heißen Kindertransporte. Und die noch Lebenden nennen sich heute noch untereinander Kinder.

Welche Rolle spielte dabei Rotterdam? 


Rotterdam, genauer der Ortsteil Hoek van Holland, war eine Transitstation auf dem Weg nach England. Weitere Denkmale erinnern inzwischen in London, Wien, Gdansk und in Berlin am Bahnhof Friedrichsstraße an diese fast vergessene Geschichte.

Und wie kamen Sie zu der Ehre?

Es ist für mich in der Tat eine Ehre. Und die rund 40 "Kinder" aus aller Welt, die in Rotterdam dabei waren, haben mich auch wieder wie ihre Ehrentochter begrüßt. Viele von ihnen hatte ich 2008 im Bundestag empfangen.

Tags zuvor waren Sie in Amsterdam.

Unter anderem im Jüdisch Historischen Museum und bei der Anne-Frank-Stiftung.

Die Geschichte der Anne Frank ist bekannt.

Vielen, aber neuen Generationen muss die berührende Geschichte zeitgemäß nahegebracht werden. Deshalb haben wir auch über Erinnerungskultur und Museumspädagogik gefachsimpelt.

Wie lässt sich das erreichen?

Es gibt gute Beispiele. Das habe ich auch in Israel erlebt. Aber die zu schildern, würde hier zu weit führen. Stattdessen ein Werbeblock: Die Anne-Frank-Stiftung Amsterdam wird mit ihrer neuesten Ausstellung im Januar 2012 im Deutschen Bundestag Premiere haben.

Scheinbar Themenwechsel: Es gibt inzwischen den Bericht einer Expertenkommission über Antisemitismus in Deutschland. Zwei Sätze dazu!

Brrrr, zwei Sätze über 200 Seiten Fachliteratur. Satz eins: Mehr als 20 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger sind antisemitisch ansprechbar, und zwar quer durch alle politischen Lager und gesellschaftliche Schichten. 

Satz zwei?

Es gibt kein Gesamtkonzept gegen den grassierenden Antisemitismus, so lautet der Vorwurf, der auch dem Bundestag gilt.

Überrascht Sie das? 

Nein, wir haben ja den selben Befund beim Thema Rechtsextremismus. Deshalb wünsche ich mir, dass angesichts der aktuell bekannt gewordenen Nazimordserie bei allen Fraktionen endlich Nachdenklichkeit einsetzt.

Interview: Rainer Brandt

linksfraktion.de, 1. Dezember 2011