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Net Zero Industry Act: Ohne Investitionen keine Transformation!

Nachricht von Alexander Ulrich,

Die Überlegungen der EU-Kommission, mit dem geplanten Net Zero Industry Act klimaneutrale Technologien made in Europe gezielt voranzubringen, gehen in die richtige Richtung. Denn die sozial-ökologische Transformation duldet keinen Aufschub und wir brauchen dringend eine überzeugende Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA, wollen wir nicht noch mehr industrielle Wertschöpfung verlieren. Doch der Plan leidet unter dem üblichen EU-Problem: Es gibt kein Finanzierungskonzept. Ohne üppige öffentliche Investitionen sind ambitionierte Klima- und Wirtschaftsziele jedoch nicht zu erreichen. Gerade das zeigt der IRA.

Erkennbar und erfreulich ist, dass das geplante EU-Gesetz im Vergleich zu früheren Strategien der wirtschaftlichen Entwicklung deutlich weniger von der sparsamkeitsorientierten und marktgläubigen deutschen Handschrift geprägt ist als von der eher interventionistischen, wirtschaftsstrategischen Herangehensweise der Franzosen. Die Kommission will mit dem Rechtsakt klare Produktionsziele für Schlüsseltechnologien und zugehörige Lieferketten. So sollen etwa künftig 40 Prozent der benötigen Photovoltaik- und Solarthermieanlagen aus europäischer Produktion kommen.

Konkrete Ziele für die Bedarfsdeckung aus einheimischer Produktion sind nach den vorliegenden Informationen auch für andere klimafreundliche Technologien geplant, etwa 85 Prozent bei Windturbinen und Batterien sowie 60 Prozent bei Wärmepumpen. Auch der Aufbau von Produktionskapazitäten mit Blick auf grünen Wasserstoff soll wohl Bestandteil des Gesetzes werden. Erreicht werden sollen die Werte bis 2030. Zwar könnten einige der hier aufgeführten Zahlen angesichts der Dimension der Klima-Herausforderung und des Wettlaufs um Anteile an aufkommenden Technologiemärkte mit China und den USA ambitionierter sein, doch sie sind signifikant – und immerhin gibt es mit dem Net Zero Industry Act überhaupt mal einen Plan.

Auch die geplanten Verkürzungen der Genehmigungsverfahren sind prinzipiell sinnvoll, denn die dringend gebotene sozial-ökologische Transformation darf nicht an der Brüsseler Bürokratie scheitern. Klar ist aber auch, über große Investitionsvorhaben mit weitreichenden Folgen darf man nicht über die Köpfe der Menschen vor Ort hinweg entschieden. Die Prozesse in den Amtsstuben der Kommission dürfen gerne beschleunigen, die Einbindung der Zivilgesellschaft bleibt aber für das Funktionieren der ökologischen Wende eine zentrale Voraussetzung. Klimapolitik darf deshalb nicht gegen den Umweltschutz und den Schutz guter Lebensbedingungen in den Regionen Europas ausgespielt werden. Diesbezüglich muss der Net Zero Industry Act klarer werden.

Insgesamt hätten die Vorschläge aus Brüssel aber viel Potenzial, gute Arbeitsplätze in zukunftsfähigen Wirtschaftszweigen zu schaffen, strukturschwache Regionen voranzubringen und den eklatanten Rückstand bei grünen Technologen gegenüber China und den USA zumindest ein Stück weit aufzuholen. Nur besteht ein wesentlicher Unterschied zur Industriepolitik Pekings und Washingtons darin, dass dort die formulierten Ziele auch finanziell untermauert werden. Dazu hat die EU nicht die Macht und in den Mitgliedstaaten – allen voran dem mächtigen Deutschland – fehlt häufig der Wille.

Die Regierungen Chinas und der USA haben längst erkannt, dass es jetzt gilt, Zukunftsmärkte mit massiven Investitionen zu besetzen, um langfristig Wohlstand zu sichern. Wir haben stattdessen Schuldenbremsen und Träume von der schwarzen Null. Und so hat auch der Net Zero Industry Act bei der Finanzierungsfrage nicht mehr zu bieten als den Hinweis, dass auch die Mitgliedstaaten Geld in die Hand nehmen müssen und dass es in anderen EU-Töpfen noch übrige Mittel gibt, die man abzwacken kann. Das reicht bei weitem nicht!