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Mit »Matchingproblemen« und »Akademisierungswahn« ins neue Ausbildungsjahr

Im Wortlaut von Rosemarie Hein,

Reibungslos: Bastian Wenske, Felix Kübler, Dominik Mertins, Milusch Fuchslocher sind seit 1. September 2015 Auszubildende in unserer Fraktion


Von Rosemarie Hein, Sprecherin für Allgemeine Bildungspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

Das neue Ausbildungsjahr hat begonnen und immer mehr Unternehmen mahnen an, dass Bewerberinnen und Bewerber nicht die Ausbildungsreife hätten. Insbesondere in Mathe und Deutsch gäbe es erhebliche Defizite. Gleichzeitig beklagen sie einen Mangel an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern. Natürlich ist das nicht in allen Berufsgruppen und Unternehmen gleich, es konzentriert sich auf bestimmte Branchen und viele kleinere Betriebe.

Noch wissen wir nicht, wie es in diesem Jahr aussieht. Doch der Anteil der „erfolglos suchenden“ Bewerberinnen und Bewerber ist angesichts der Klagen aus der Wirtschaft nicht zu erklären. Die Zahl der Ausbildungsplätze ist nämlich in den vergangenen Jahren beständig geschrumpft und hat 2014 einen neuen Tiefststand erreicht. Da muten die Klagen über einen sogenannten „Akademisierungswahn“ seltsam an, wenn mehr als 250.000 junge Menschen auf das Übergangssystem verwiesen werden, andererseits aber zigtausende Lehrstellen unbesetzt bleiben.

Es seien „Matchingprobleme“, betont die Bundesregierung seit Jahren. Das Paket an Maßnahmen, das die Bundesregierung jedes Jahr für einen besseren Start in den Beruf entwickelt, ist umfang- und wortreich. Sie heißen „Jobstarter plus“, „Jobstarter connect“, „Berufseinstiegsbegleitung“ oder BOP für „Berufsorientierungsprogramm“, „Perspektive Berufsabschluss“, „Übergangsmanagement“ und so fort. Sie alle haben nicht verhindert, dass eine Viertelmillion junger Menschen einen Bildungsgang im sogenannten Übergangsbereich aufgenommen hat. Überredet wurden sie oft mit der Chance, dort einen höheren Schulabschluss zu erreichen.

Doch 69 Prozent derer im Übergangsbereich erreichen den nicht. Darum muss man sich die Frage nach der Effizienz der Programme stellen und ob die richtigen Weichen überhaupt gestellt worden sind. Ich behaupte: Nein. Wichtiger als alle Jahre neue Projekte und Programme, die im Einzelfall gute Ergebnisse zeitigen, aber keine Flächenwirkung erreichen, muss mehr Kontinuität in die Sache. Und da ist es wenig hilfreich, wenn wegen des Kooperationsverbotes in der Bildung an den Bildungseinrichtungen in Länderhoheit vorbei agiert werden muss.

Es ist auch nicht hinnehmbar, dass vollzeitschulische Ausbildungsberufe wie der der Erzieherin und des Erziehers oder in den nichtmedizinischen Heilberufen – zum Beispiel für Logopädie oder Physiotherapie - gar nicht ausreichend öffentlich finanzierte Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen und junge Menschen, die sich für diese Berufe – mit übrigens sehr guten Beschäftigungsaussichten – interessieren, für ihre Ausbildung zur Kasse gebeten werden.  Darum bestehen wir auf einem Recht auf Ausbildung und auf guter Ausbildungsqualität.

Neu im Angebot der Bundesagentur ist die Assistierte Ausbildung. Die im vorigen Jahr gelaufenen Modellprojekte machen zuversichtlich. Aber in der Überführung in ein reguläres Instrument wurde schon wieder herumgekürzt und bürokratisiert. Wir werden ein Auge darauf haben und Nachbesserung einfordern.