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Mit Geigen gegen Gewehre

Periodika,

Wie ein Orchester die Tore der Waffenfabrik Heckler & Koch blockierte.

Für gewöhnlich beginnt um 5 Uhr bei Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar die Produktion von Gewehren. Doch an diesem Morgen ist alles anders. Statt mit offenen Toren werden die Arbeiter der Waffenfabrik am 3. September 2012 mit klassischer Musik empfangen. 100 Musikerinnen und Musiker blockieren die Werkstore. Sie spielen Händels Arie „Waffenhandwerk schafft nur Unheil“.

Eine von ihnen ist Pheli Sommer. Die 23-jährige Ethnologiestudentin spielt Klarinette. Mit Musik und zivilem Ungehorsam protestiert sie gegen die Waffenproduktion in Deutschland. Maschinenpistolen und Sturmgewehre, wie sie bei Heckler & Koch produziert werden, sind laut UN-Bericht die größte Massenvernichtungswaffe der Welt. Alle 14 Minuten stirbt weltweit ein Mensch durch eine Kugel aus einer Waffe von Heckler & Koch.

Zu dem Protestorchester kam Pheli Sommer erst wenige Tage zuvor. Bei einer Gartenfeier in Leipzig lernte sie einige Musiker kennen. Sie war sofort begeistert von der Idee, mit Musik gegen die Waffenherstellung zu demonstrieren.

Hinter Pheli Sommer, die aus Leipzig nach Baden-Württemberg gereist ist, prangt die Waffenfabrik, vor ihr harren fünf Polizeiwagen und die Angestellten von Heckler & Koch. Offensichtlich hat sich der Konzern auf die Blockade eingestellt. Die Angestellten werden von den Werkschützern davon abgehalten, mit den Musikern zu sprechen. Nach einer halben Stunde Konzert durchbrechen Werkschützer die Blockade.

Das Orchester bleibt trotzdem. Um 10 Uhr gesellen sich 300 Friedensaktivisten dazu. Die Musiker unterbrechen ihr Konzert immer wieder für politische Reden. Ein Redner ruft die Beschäftigten der Waffenfabrik auf, ihre Arbeit für 14 Minuten im Gedenken an die Opfer der Schusswaffen zu unterbrechen.

Ein anderer Redner hat sich mit schwarzem Zylinder und Frack als Beauftragter der Bundesregierung verkleidet. Es ist Peter Grottian, ein 70-jähriger Politikprofessor aus Berlin.

Im Namen der Bundeskanzlerin gibt er bekannt, dass die Waffenlieferungen unterbrochen würden, auch über einen Stopp der Waffenproduktion werde nachgedacht. „Menschenrechte und Rüstungsexporte passen nicht zusammen“, ruft er.

Die Musiker haben am heutigen Tag mit ihrer Blockade zumindest erreicht, dass in der Frühschicht bei Heckler & Koch weniger Waffen produziert werden konnten als sonst. Und Ethnologiestudentin Pheli Sommer hofft weiterhin darauf, dass hier in Oberndorf eine Wende stattfinden wird und in der Fabrik statt Waffen in Zukunft zivile Güter produziert werden.