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Mit der Großen Koalition rückt ein Politikwechsel in weite Ferne

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Foto: Uwe Steinert

 

 

Von Klaus Ernst, Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft, Arbeit und Finanzen und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Niemand hat die SPD gezwungen, den kleinen Koalitionspartner der Unionsparteien zu mimen. Die SPD hat sich gegen eine klar „linke“ Mandatsmehrheit von SPD, LINKEN und Grünen entschieden. Mit dem Beschluss des SPD-Parteikonventes, Koalitionsverhandlungen mit CDU/CSU aufzunehmen, hat die Sozialdemokratie die Tür für einen echten Politikwechsel für mehr soziale Gerechtigkeit zugeschlagen. Die vom Parteikonvent beschlossenen „unverzichtbaren“ 10 Punkte sind inhaltlich so dünn und dürftig, dass es allenfalls zu leichten Kurskorrekturen der Agenda-Politik kommen dürfte. Da in einem Koalitionsvertrag aber immer Kompromisse gemacht werden müssen, wird die SPD endgültig in die Rolle Merkels Mehrheitsbeschaffer degradiert werden.

Merkel: Wächterin des guten Gefühls

Niemand hat die europäische Krisenpolitik der letzten Jahre so geprägt, wie Kanzlerin Merkel. Gleichzeitig wird sie nicht müde zu betonen, dass es unserem Land gut gehe, es so viele Erwerbstätige wie nie gäbe, die Arbeitslosigkeit auf einem Tiefstand sei, nicht zuletzt verbuche der Staat Rekordsteuereinnahmen. Auch in Europa, insbesondere in den Krisenstaaten, so die tonangebenden Ökonomen, sei „wieder Licht am Ende des Tunnels“ zu sehen. Tatsächlich verzeichneten die Eurostaaten nach sechs Quartalen wirtschaftlicher Schrumpfung wieder ein leichtes Wachstum. Finanzminister Schäuble hat kurz vor der Wahl gegenüber der Financial Times geäußert, dass die Sparmaßnahmen in den öffentlichen Haushalten und die Verbesserung der Wirtschafsstruktur sich nun auszahlten. „Sie legen das Fundament für eine nachhaltiges Wachstum“, so Schäuble.

Deutschland: Viel Schatten und wenig Licht

Tatsächlich ist die Gefühlslage in der Bevölkerung dann doch viel näher an der Realität, als das Wahlergebnis vermuten lässt: So fordern 86% der Menschen in Deutschland die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Kein Wunder: Fast ein Viertel der Beschäftigten arbeitet im Niedriglohnsektor – übertroffen in der EU nur von Litauen. Und in kaum einem anderen Land in Europa haben die Lohnspreizung und die Einkommensumverteilung zwischen Kapital und Arbeit so deutlich zugenommen, wie bei uns. Die gewachsene soziale Unsicherheit und die damit einhergehenden Ängste haben sich bis in die Mittelschicht eingefräst.

Zugleich fehlen Milliarden an dringenden Investitionen: Laut Deutsches Institut für Urbanistik benötigt Deutschland für die kommunale Infrastruktur seit 2006 und bis 2020 Investitionen von insgesamt 700 Milliarden Euro. Gerade bei den Kommunen herrscht eine eklatante Finanznot: Brücken verfallen, Schulen verrotten, Schwimmbäder und Kultureinrichtungen müssen geschlossen werden. Schuld daran sind auch die Steuergeschenke für Besserverdiende und Vermögende, die bis 2011 zu Steuermindereinnahmen in Höhe von 386 Milliarden Euro geführt haben.

Europa: Keine Trendwende in Sicht

Entgegen den Beteuerungen von Schäuble wird Europa in naher Zukunft kaum auf die Beine kommen. Die extrem hohe Arbeitslosigkeit gerade in Südeuropa wird ein selbsttragendes Wachstum auf absehbare Zeit verhindern. Die auf Export getrimmte Deutschen Wirtschaft wird zunehmend Schwierigkeiten bekommen. Denn Schwellenländer wie China, Brasilien, Indien und Co. werden kaum noch wachsen: Erstmals seit 2007 werden sie weniger zum globalen Wachstum beitragen als die USA und Europa zusammen.

Solange die strukturellen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone nicht überwunden werden, wird früher oder später auch Deutschland mit in den Abgrund gerissen. Gleichzeitig hält die Banken- und Finanzlobby Europa fest im Würgegriff: Das Versprechen der Kanzlerin und ihres Finanzministers, die Eigentümer und Gläubiger der Banken für ihre Spielsucht in Haftung zu nehmen, werden sie nicht einlösen. „Too big to fail“ wird auch das Mantra von Bundesregierung und EU-Kommission bleiben. Sie werden weiterhin die Finanzstabilität ins Feld führen, um Eigentümer und Gläubiger von Großbanken freizukaufen.
 
Echter Politikwechsel nur mit der LINKEN

Die Herausforderungen für DIE LINKE bleiben. Sie muss jetzt ihrer Verantwortung als stärkste Oppositionsfraktion gerecht werden. Für DIE LINKE bedeuten das auch, noch intensiver mit ihren natürlichen Bündnispartner für echte Alternativen zu kämpfen und zu werben – im Interesse der Menschen und Europas.
 

linksfraktion.de, 22. Oktober 2013