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Merkels Atommülllager

Nachricht von Dorothée Menzner,

Wenn am Donnerstag die Bundeskanzlerin vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss vernommen wird, geht es erst einmal darum, sich zu erinnern, dass sie nicht immer Bundeskanzlerin war. Es geht bei Angela Merkels Anhörung um ihre Zeit als Bundesumweltministerin in der Regierung Kohl zwischen 1994 und 1998. Sie war die Nachfolgerin von Klaus Töpfer, einem profilierten Umweltpolitiker, von denen die CDU damals noch nicht so viele hatte. Im Umweltministerium mit seinem Bereich "Reaktorsicherheit" und der Verantwortung als oberste Atomaufsichtsbehörde betrat die vormalige Familienministerin Merkel Neuland.

Klaus Töpfers Politik soll beim Wirtschaftsflügel der CDU auf erheblichen Unwillen gestoßen sein, Merkel sollte also genau diesen industriefreundlichen Flügel besänftigen – mit einer offensiven Atompolitik. Mit ihr kam der Abteilungsleiter Reaktorsicherheit, Gerald Hennenhöfer, ins Amt, der einer ihrer wichtigsten Leute wurde, später in die Atomindustrie wechselte und von Norbert Röttgen 2009 wieder ins BMU zurückgeholt wurde. Dieser "Drehtür-Effekt", der einen Lobbyisten der Atomindustrie im Ministerium installierte, erzeugte damals großes Aufsehen. Der Untersuchungsausschuss Gorleben hat Hennenhöfer am 13.09.2012 vernommen. An der Seite das damaligen Bundeswirtschaftsministers Rexrodt (FDP) verfolgte Angela Merkel im Wesentlichen industriepolitische Ziele: beispielsweise den Neubau eines neuen Reaktortyps (EPR) auf den Weg zu bringen.

"Augen zu und durch"

Im Endlager-Bereich hat Angela Merkel in ihrer Zeit als Bundesumweltministerin einige Entscheidungen getroffen, die auch heute noch in der Kritik stehen. So hat sie in dem gefährdeten Endlager Morsleben weiter Atommüll einlagern lassen, auch solchen aus westdeutschen Anlagen, der eigentlich für die ehemalige DDR-Deponie gar nicht vorgesehen war. Sie hat entgegen dem fachlichen Rat ihrer eigenen Berater (zum Beispiel Prof. Röthemeyer) die Betriebsgenehmigung von Morsleben sogar verlängern lassen.

In der Frage Gorleben hat sie einen Kurs verfolgt, der lauten könnte "Augen zu und durch". Der Salzstock Gorleben wurde seit den 1980er Jahren untertägig erkundet. Niedersachsen, das seit 1990 durch Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) regiert wurde, machte vor allem mit seiner Umweltministerin Monika Griefahn Druck auf Gorleben. Sie wollten nicht mehr, dass Niedersachsen die ganze Last der Endlagerung tragen müsse, und forderten daher eine alternative Standorterkundung. Da kam es Angela Merkel gar nicht zupass, dass zwei Studien zu alternativen Standorten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffen, die bereits 1992 von der Bundesregierung in Auftrag gegeben worden waren, nun – Mitte der 90er Jahre – fertig wurden. Im BMU fürchtete man, diese Studien könnten Gorleben in Frage stellen, ja sogar gefährden.

Die Merkel-Lüge

Bei der Vorstellung dieser Studien im August 1995 ging Merkel daher in die "Presse-Offensive" und produzierte den Eindruck, Gorleben sei in den besagten Studien mit untersucht worden und als bester daraus hervorgegangen. Dabei war Gorleben überhaupt nicht Teil der Untersuchungen gewesen. Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hat diese Lüge Merkels bereits im Februar kritisiert. Am 28.08.1995 hatte Merkel in einer Pressemitteilung: "Die Untersuchungsergebnisse der BGR zeigen für mich, daß es keinen Grund gibt, nach Ersatzstandorten zu suchen, Gorleben bleibt erste Wahl.“ Auch die Presseberichte nach der Vorstellung der Studien durch Angela Merkel spiegeln diesen falschen Zusammenhang wider. Damit hat sie mit ihrer Autorität als Umweltministerin die Öffentlichkeit in die Irre geführt, um eine Suche nach zusätzlichen und vergleichbaren Standorten zu verhindern.

Auch in einer zweiten Gorleben-Entscheidung wird Angela Merkel in der Befragung Stellung beziehen müssen: Unter ihrer Leitung wurde entschieden, nur einen Teil des Salzstocks Gorleben zu erkunden, weil private Salzrechte die Erkundung des gesamten Salzstocks verhinderten. Ende 1996 machten die Energieversorgungsunternehmen (EVU) Druck, weil ihnen die Kosten für Gorleben zu hoch waren. Zwei wichtige Ministergespräche mit den EVU zwischen Dezember 1996 und Januar 1997 fanden statt. Im BMU unter Merkel wich man diesem Druck sehr rasch und präsentierte eine Lösung: Nur der Nordosten sollte erkundet werden und warb dafür mit einer Kosteneinsparung von 365 Millionen D-Mark. Die EVU reagierten überrascht und skeptisch, bezweifelten, ob sich eine Eignungsaussage bei solch einem reduzierten Vorhaben überhaupt realisieren ließe. Doch das BMU beruhigte: Trotz dieser "Mini-Erkundung" war man sich sicher, eine Eignungsaussage über den ganzen Salzstock treffen zu können – eine Einschätzung, der die eigenen Bergfachleute widersprachen. Aber über Sicherheitsbedenken aus dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) setzte man sich hinweg. Diese Entscheidung zur Teilerkundung Nordost gilt bis heute.

Kurz nachdem Angela Merkel als Umweltministerin ins Amt kam, machte sie sich für den ersten Castor-Transport ins niedersächsische Gorleben stark. Im Frühjahr 1995 war sie vor Ort zu Besuch. Der ist bis heute bei den Menschen im Wendland in Erinnerung. Man zitiert dann gerne Merkels laxe Bemerkung anlässlich der Diskussion, ob die Castoren auch dicht seien: "Wenn Sie einen Kuchen backen, geht auch nicht alles nach Rezept. Da fällt schon mal ein Mehlstäubchen daneben."

linksfraktion.de, 27.09.2012