Zum Hauptinhalt springen
EU-Hotspot auf Lesbos

Menschenfeindliche EU-Hotspots auflösen

Nachricht von Heike Hänsel,

Immer wieder war in den letzten Monaten der EU-Hotspot Moria, das größte "Freiluftgefängnis" der EU, auf der griechischen Insel Lesbos in die Schlagzeilen geraten, nicht nur wegen der skandalös menschenunwürdigen Lebensbedingungen von zweitweise mehr als 24.000 Flüchtlingen, sondern auch wegen Übergriffen und Stimmungsmache rechtsradikaler Schlägertrupps, teilweise sogar aus Deutschland angereist, die mit Drohungen und Gewalt gegen Flüchtlinge, NGOs und Journalistinnen und Journalisten vorgingen. 

Die sowieso bereits mageren Versprechungen der EU-Mitgliedsstaaten, mehr Geflüchtete aus den griechischen Lagern aufzunehmen, sind bisher nicht umgesetzt worden. Auch die Bundesregierung bleibt hier weit hinter ihrer Zusage zurück. Besonders beschämend ist die Blockade von Aufnahmeangeboten aus einigen Bundesländern und Gemeinden durch Innenminister Horst Seehofer. Im August war ich aufgrund der Corona-Beschränkungen erstmals wieder in Lesbos, nachdem ich seit 2015 regelmäßig mit der Organisation Kultur des Friedens die Insel besuche und ein Musikprojekt für Flüchtlinge unterstütze.

Die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung hat sich massiv verschlechtert, viele Inselbewohnerinnen und -bewohner sind aufgrund der leeren Versprechungen der EU, die Inseln zu entlasten, frustriert. Die Infrastruktur der Inselhauptstadt Mytilini, was Wasser und Strom betrifft, kann solch eine große Anzahl an Menschen nicht versorgen. Rechte Gruppierungen machen sich den Unmut zu eigen und wiegeln immer wieder auf, so zuletzt beim Besuch der griechischen Staatspräsidentin. Zwar wurden nun Geflüchtete aufs Festland gebracht, aber die nun immer noch mehr als 12.000 Menschen sind seit März unter Lockdown-Bedingungen eingepfercht, darunter mehr als 5.000 Kinder, während Touristinnen und Touristen sich auf der Insel frei bewegen können. Gewaltausbrüche im Lager sind eine Folge davon. Die für Covid-19 verantwortliche Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Mytilini, Caroline Willemen, beschreibt erneute Traumatisierungen der sowieso schon traumatisierten Kriegsflüchtlinge und fordert die EU-Staaten auf, zumindest endlich die Corona-Risikogruppen, etwa 600 Ältere und chronisch Kranke von der Insel zu holen. Denn ein Covid-19-Ausbruch in Moria hätte fatale Folgen für die gesamte Insel und das mit sechs Intensivbetten völlig überforderte örtliche Krankenhaus.

Auch der türkische-griechische Konflikt im Mittelmeer zeigt sich an der Seegrenze vor Lesbos, in Form gegenseitiger Vorwürfe von illegalen Aktionen gegen Flüchtlinge. Die US-Tageszeitung New York Times hatte unlängst unter Berufung auf Interviews mit Betroffenen und Hinweise von NGOs berichtet, die griechische Küstenwache habe seit März über tausend Flüchtlinge in überfüllten Booten in der Ägäis aktiv zurückgedrängt beziehungsweise sogar bereits gerettete Flüchtlinge wieder in aufblasbare schwimmende Inseln gepackt und Richtung Türkei geschleppt.

Diese Pushbacks sind laut Menschenrechtsorganisationen ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Auch die Bundesregierung bestätigt auf Nachfrage meines Kollegen Andrej Hunko, mittlerweile zwei beobachtete Pushback-Aktionen der griechischen Küstenwache. Welche Rolle dabei allerdings die ebenso anwesenden Frontex-Schiffe und das deutsche NATO-Schiff Berlin spielen, ist fragwürdig. Das Festsetzen eines zweiten Schiffes von Mare Liberum, die die Seegrenze in der Ägäis als zivile Organisation beobachten will, durch deutsche Behörden ist skandalös und ein Indiz dafür, dass auch die Bundesregierung Augenzeugen verhindern will.

Die Fraktion DIE LINKE fordert seit Langem ein Ende des EU-Flüchtlingsdeals mit dem Despoten und Kriegstreiber Recep Tayyip Erdogan und eine Auflösung der menschenfeindlichen EU-Hotspots auf den griechischen Inseln. Die Bundesregierung ist gefordert, im Rahmen ihrer EU-Präsidentschaft eine humane neuaufgestellte EU-Flüchtlingspolitik voranzutreiben. Glaubwürdig wird sie, wenn sie zudem endlich ihre Rüstungsexport-Orgie in alle Welt beendet, und damit nicht ständig weiter zur Fluchtursache Krieg beiträgt.