Zum Hauptinhalt springen

Menschen mit HIV und Aids sind nicht allein

Kolumne von Harald Petzold,

 

Von Harald Petzold, queerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


„Wie viele Menschen betreuen Sie denn?“ –
„Noch keine.“ –
„Was? So wenig? Da kann ich erst einmal gar nichts für Sie tun.“

Nie werde ich diesen, meinen ersten Kontakt mit Sozial-Ministerialbürokratie vergessen. Die zuständige Beamtin hatte gar nicht von ihren Aktenordnern aufgesehen, als wir diesen kurzen Dialog führten. Erst als ich ihr meinen neuen Ausweis eines Brandenburger Landtagsabgeordneten unter die Nase hielt, schaute sie mich wenigstens an, um sich zu vergewissern, wer da wagte, ihre wichtige Arbeit mit so einer Lappalie wie der Anfrage nach Räumlichkeiten zu unterbrechen.

Das war im Frühjahr 1991. Inzwischen begeht die Aids-Hilfe Potsdam e.V., für die im mich seinerzeit stark gemacht habe, Silbernes Jubiläum. Ob sie tatsächlich feiern wird, ist noch eine Frage. Denn wie die meisten Träger steckt sie so über beide Ohren in Arbeit, dass sie so gut wie gar keine Zeit hat, ihre Jahrestage zu begehen. Und trotzdem verdient sie unser aller Glückwunsch und vor allem Unterstützung. Wie die Aids-Hilfen deutschlandweit.

Seit dem Aufkommen der seinerzeit unerklärlichen Immunschwäche-Krankheit, die scharenweise vor allem schwule Männer oder Männer, die mit Männern Sex haben, geradezu dahinraffte, leisten sie eine aufopferungsvolle und unverzichtbare Arbeit - klären auf, verteilen Info-Materialien und Kondome, begleiten Betroffene in allen Lebenssituationen, vernetzen Helferinnen und Helfer, organisieren Benefiz- und andere Unterstützungs-Events, sind Sterbebegleiterinnen und -begleiter für Erkrankte und Mut- und Trostspender und -spender für die Hinterbliebenen. Oder sind einfach nur immer da, wenn Hilfe gebraucht wird. Sie kämpfen gegen Stigmatisierung und Ausgrenzung, für Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit HIV und Aids.

Sie kümmern sich darum, dass Menschen, die wegen ihrer Erkrankung in ihren Herkunftsländern verfolgt oder nicht sachgerecht behandelt werden können und deshalb zu uns geflohen sind, nicht nur willkommen geheißen werden, sondern auch Unterstützung bei Behördengängen, Arztbesuchen, bei der Wohnungssuche oder anderen wichtigen Dingen des täglichen Lebens erhalten, sie vernetzen Ärzte mit Pflegediensten und Sozialhilfe-Akteur_innen, kümmern sich um deren Fortbildung und fachliche Qualifizierung mit Schwerpunkt HIV und Aids, organisieren Fachtagungen, Konferenzen und jede Form von Expertise, betreiben Öffentlichkeitsarbeit, stehen Schulklassen oder Jugendklubs Rede und Antwort, vermitteln Betroffene als Gesprächspartner in deren Projekttage, organisieren Filmtage und -Diskussionen und, und, und. Oftmals bis an den Rand des physisch Leistbaren und oftmals so schlecht bezahlt bzw. vergütet, dass einem die Schamesröte ins Gesicht schießt.

Die Potsdamer Aids-Hilfe e.V. habe ich ab 1991 mit aufgebaut. Inzwischen ist sie ein fest in den Trägerstrukturen Brandenburgs verankerter und vernetzter Partner für den Kampf um Hilfe und Gesundheit für Menschen mit oder ohne HIV und Aids. Ein fester, sich immer wieder neu ergänzender Stamm an Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern unterstützt sie dabei und setzt mit Begegnungsabenden, Rote-Schleifen-Frühstück oder Aktiven-Treffen durchaus eigene Akzente. Potsdam ist damit ein Beispiel von vielen in der Bundesrepublik. Eine Besonderheit ist sein Engagement für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Polen. Initiativen und Vereine wie die Potsdamer Aids-Hilfe e.V. verdienen jede und mehr Unterstützung seitens der Politik. Insofern ist die Unterstützung beim Einwerben von Spendengeldern und dem Verteilen von Roten Schleifen eine Möglichkeit dafür, wenn auch eine ganz wichtige.

Ich möchte mit meinem Einsatz am Welt-Aids-Tag aber vor allem noch zweierlei sagen. Erstens: Menschen mit HIV und Aids sind nicht allein. DIE LINKE ist an ihrer Seite und setzt sich für ihre Belange ein. So hat sie vor genau einem Jahr einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der Menschen mit HIV und Aids stärker vor Diskriminierungen schützen soll. Der Gesetzentwurf liegt seitdem im Rechtsausschuss und soll jetzt auf gemeinsamen Druck der Oppositionsfraktionen endlich im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz beraten werden. Und zweitens: DIE LINKE dankt allen, die für Menschen mit HIV und Aids arbeiten, insbesondere den zahllosen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern.

Eine HIV-Infektion ist inzwischen gut behandelbar. Dies führt dazu, dass das Virus bei entsprechender Behandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht übertragen werden kann. Dennoch ist die öffentliche Wahrnehmung anders als bei anderen chronischen Krankheiten. Stigmatisierung und Ausgrenzung, Angst und Verheimlichung, Diskriminierung und Vorurteile bilden den Lebensalltag für viele Menschen mit HIV und Aids. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ist im europäischen Vergleich zwar weiterhin vergleichsweise niedrig. Zum Glück! Das bedeutet aber keine Entwarnung. Auf die Arbeit der Aids-Hilfen kann deshalb auch in den nächsten Jahren nicht verzichtet werden. DIE LINKE steht an ihrer Seite.