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Mehr Gerechtigkeit in der Energiewende

Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter,

Von Eva Bulling-Schröter, Statement auf Pressekonferenz am 10. Oktober 2012





Stromsteuer senken

Sie werden sich vielleicht wundern, warum ich mich als Umweltausschussvorsitzende und umweltpolitische Sprecherin unserer Fraktion für eine Reduzierung der Stromsteuer ausspreche. Sie ist ja Teil der Ökosteuer, und der Umweltverbrauch soll seinen Preis haben, so eine alte Forderung.

Wir denken jedoch, die EEG-Umlage erfüllt heute jene ökologische Lenkungsfunktion, die ursprünglich der Stromsteuer als Teil der Ökosteuer zugeschrieben wurde - und zwar bedeutend besser. Das EEG ist viel zielsicherer als die Stromsteuer. Denn es sorgt direkt für den Umbau des Energiesystems und mehr Klimaschutz. Es gibt Investitionssicherheit für den Ausbau von Erzeugungsanlagen für Wind und Sonne. Darum wollen wir es im Kern schützen, und  nicht zerstören, wie es die FDP vor hat.

Dieser Ausbau ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die erwartete Umlage von über 5 Cent je Kilowattstunde im nächsten Jahr – in der Presse wird von 5,2 bis 5,4 Cent berichtet - ist kein Pappenstil. Auch wenn der Ökostrom gegenwärtig nur für rund ein Drittel der Preiserhöhungen verantwortlich ist – darauf komme ich gleich – müssen wir uns überlegen, wie viel indirekten Steuern und Umlagen den VerbraucherInnen zuzumuten sind. Denn sie belasten insbesondere Haushalte mit niedrigen Einkommen. Schließlich müssen sie einen deutlich höheren Anteil ihres Einkommens für laufende Ausgaben verwenden als Besserverdienende.

Darum schlagen wir vor: In dem Umfang, in dem die EEG-Umlage ab 2013 steigt  - nämlich um rund 1,6 Cent je Kilowattstunde auf knapp über 5 Cent, soll die Stromsteuer für private Verbraucherinnen und Verbraucher sinken. Wir wollen sie also von gegenwärtig 2,05 Cent je Kilowattstunde auf zunächst 0,5 Cent absenken.

Die Stromsteuer hat übrigens eine weitere soziale Schieflage - es ist nicht schade um sie. Denn sie wurde im Rahmen der Ökosteuerreform verknüpft mit der Senkung der Rentenbeiträge. Unter dem Strich verdienen höhere Einkommen an der Konstruktion, niedrige, die wenig Rentenbeiträge haben, aber ebenso Stromsteuer zahlen müssen, zahlen netto nur drauf. Rotgrün wollte damals einen sozialen Ausgleich nachschieben, der aber ist natürlich niemals gekommen - die Parteien haben eine andere Klientel.

Unser Vorschlag würde ungefähr 2,2 Mrd. Euro kosten. Wer soll das bezahlen?
Allein wenn wir die Ermäßigungen für die Industrie im Bereich der Strom- und der Energiesteuer auf ein angemessenes Maß zurückfahren hätte der Bundeshaushalt – je nach künftiger Ausgestaltung –Mehreinnahmen bis zu 5 Milliarden Euro im Jahr. Sagen wir, die Hälfte davon ist berechtigt – Experten meinen, das ist noch großzügig geschätzt – dann wäre die Senkung der Stromsteuer bereits  gegenfinanziert.

Und damit bin ich auch schon beim nächsten Punkt.

Unberechtigte Industrie-Rabatte zu Lasten der Privathaushalte abschaffen

Die Kosten der Energiewende dürfen nicht länger einseitig bei privaten Haushalten und kleinen Unternehmen abgeladen werden. An der Finanzierung muss sich künftig auch die energieintensive Industrie beteiligen. Diese wird gegenwärtig bei Umlagen und Abgaben vielfältig privilegiert. Große Unternehmen erzielen heute sogar leistungslos Extra-Profite aus Instrumenten wie EEG, Ökosteuer oder Emissionshandel. Insgesamt werden die Firmen dieses Jahr um rund 9,8 Mrd. Euro entlastet.

Diese Lastenverschiebung hat zur Folge, dass der Strompreis für andere Verbraucherinnen und Verbraucher momentan deutlich höher liegt, als er müsste. Allein die Industrie-Rabatte bei der EEG-Umlage führen zu einer Preissteigerung für alle Anderen von fast einem Cent pro Kilowattstunde (kWh). Würden die großen Stromverbraucher an den Energiewendekosten angemessen beteiligt, könnte der Strompreis also sinken und der Haushalt hätte zudem mehr Einnahmen. Wir schätzen hier den Strompreiseffekt auf rund 0,5 Cent je Kilowattstunde, sofern die Hälfte der Privilegien beim EEG wegfallen.

Dazu hat die LINKE bereits vor dem Sommer einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Schön, dass SPD und Grüne jetzt nachziehen.

Um nicht missverstanden zu werden: DIE LINKE will nicht leichtfertig Arbeitsplätze auf Spiel setzen. Wir fordern jedoch, Privilegien abzubauen, die mit Standortsicherung nicht das Geringste zu tun haben. Denn gegenwärtig reicht es für Unternehmen bereits, einen höheren Stromverbrauch zu haben, um weitgehend von EEG-Umlage oder Stromsteuer befreit zu werden. Der tatsächliche internationale Wettbewerbsdruck spielt keine Rolle. So werden beispielsweise beim EEG selbst solche Firmen stark entlastet, die ihre Produktion gar nicht ins außereuropäische Ausland verlagern könnten. Gashändler etwa, Wasserversorger oder Abfallunternehmen oder auch Firmen, die Kiese und Sande für die heimische Bauindustrie abbauen und verarbeiten.

Willkür der Stromversorger bei der Preisbildung beenden

Wie bereits gesagt, die Energiewende verursacht bislang nur ein Drittel der Preissteigerungen seit 2007. Die Demagogie, die hier gegen die Erneuerbaren gefahren wird, ist auch deshalb unerträglich.

Um rund zwei Cent könnte der Strompreis immerhin niedriger liegen, gäbe es eine funktionierende Aufsicht und Regulierung des Endkundengeschäfts beim Strom. Denn hier, bei der Festlegung des Strompreises für Privathaushalte, organisieren sich die Versorger zu Lasten der Haushaltskunden hemmungslos und leistungslos Sonderprofite!

Die Strompreisaufsicht der Länder wurde im Jahr 2007 abgeschafft, seitdem werden nur noch der Großhandelsmarkt sowie der Bereich der Netzentgelte überwacht. Die bisherige Strategie, beim Markt im Endkundengeschäft allein auf Wettbewerb zu setzen - also darauf, dass jeder den Stromanbieters wechseln kann - ist jedoch gescheitert. Die Bundesregierung muss daher ein Konzept für eine effektive, staatliche Aufsicht über das Endkundengeschäft erarbeiten. Dieser Aufsicht ist ein Beirat mit Vertreterinnen und Vertretern von Verbraucher-, Umwelt- und Sozialverbänden zur Seite zu stellen.

Energetische Gebäudesanierung ohne kalte Vertreibung

Noch ein Wort zu einem bislang unterbelichteten Aspekt.
Gegenwärtig stehen die Stromkosten im Mittelpunkt der Debatte. Doch die geplante und auch notwendige Beschleunigung der energetischen Gebäudesanierung könnte eine neue Kostenwelle verursachen. Für Mieterinnen und Mieter genauso wie für selbst genutztes Wohneigentum.
Darum muss auch hier rechtzeitig gegengesteuert werden. Denn die Heizkosteneinsparungen werden in vielen Fällen niedriger sein, als die die umgelegten Kosten der Investitionen.
Um soziale Härten zu vermeiden, muss die Bundesregierung die Mittel für die energetische Gebäudesanierung von gegenwärtig rund 1,5 Milliarden auf etwa 5 Milliarden Euro im Jahr aufstocken. Die Finanzierung kann u.a. über Mehreinahmen beim  Emissionshandel erfolgen, bei dem ab 2013 die vollständige Versteigerung der Emissionsrechte an die Energieversorger beginnt. Das bringt - je nach Ausgestaltung - zusätzliche Erlöse in Höhe in Höhe von  2,2 bis und 4,3 Mrd. Euro im Jahr. Die erhöhte Förderung muss aber letztlich auch beim Mieter ankommen.

Vielen Dank.
 

linksfraktion.de, 10. Oktober 2012