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Mehr Geld für den Kitaausbau?

Im Wortlaut von Steffen Bockhahn,

Steffen Bockhahn über fehlende Betreuungsplätze und klamme Kommunen

Mitte September beginnt die Haushaltsdebatte des Bundestages. Sie kritisieren das fehlende Geld für den Kitaplatzausbau.

Steffen Bockhahn: Ja. 2008 hat die damalige Bundesregierung ein Gesetz beschlossen, nach dem ab 2013 für alle Unter-drei-Jährigen ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz besteht. Es wurde damals wie heute davon ausgegangen, dass für 35 Prozent aller ein- bis dreijährigen Kinder ein Krippenplatz benötigt wird. Für die Kommunen ist das ein enormes Finanzierungsproblem, denn die müssen das Gesetz im Wesentlichen umsetzen, unterstützt von den ebenfalls klammen Ländern. Der Bund hat ein Sondervermögen geschaffen, um die Belastungen abzufedern. Aber das reicht nicht.
Der Bedarf von 35 Prozent wurde 2004 in einer Elternumfrage ermittelt. Wir wissen heute, dass die Zahl überholt ist, im Osten sowieso, aber nun auch im Westen häufig. Der Bundesanteil basiert aber auf dieser Annahme. Pro Jahr werden derzeit rund 300 000 Euro an die Länder gegeben. Das liegt auch daran, dass diese noch nicht mehr abrufen. Aber viel mehr wäre auch im Topf nicht drin.

Wie viel Geld ist vom Bund für den Kitaplatzausbau vorgesehen?

Das Sondervermögen beträgt noch knapp 2,2 Milliarden, die auf 16 Bundesländer aufgeteilt werden müssen – da fehlt einiges.

Mit dem Haushaltsentwurf können die 35-Prozent-Pläne also nicht umgesetzt werden?

Richtig. Es handelt sich zudem auch nur um eine freiwillige Leistung des Bundes. Es besteht allerdings eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern, dass der Bund das Geld zur Verfügung stellt. Aber die Aufgabe, die Krippenplätze zu errichten, liegt eben bei Ländern und Kommunen.

Die damit allein bleiben.

Ja. Den Rechtsanspruch umzusetzen, ist in zweieinhalb Jahren nahezu aussichtslos, besonders in Westdeutschland.

Ist die Lage in Ostdeutschland denn paradiesisch?

Das ist vom Wohnort abhängig. Gerade im ländlichen Raum gibt es Kommunen, die händeringend nach Kindern suchen, um ihre Kita halbwegs auszulasten. Aber in den letzten drei, vier Jahren hat es ja wieder eine leichte Erholung der Geburtenrate gegeben. Und die Kinder müssen betreut werden. Es geht ja auch nicht einfach nur um Betreuung, sondern auch um frühkindliche Bildung. Viele ostdeutsche Kommunen haben aus Haushaltsnöten ihre Kitabedarfsplanung heruntergefahren und die Eltern müssen nun auch da Wartezeiten in Kauf nehmen.

Bei weniger Personal leidet dann auch der Bildungsauftrag.

In den meisten Kitagesetzen ist ein verbindlicher Betreuungsschlüssel festgelegt. Gerade in kleinen Kitas wird es aber manchmal schwierig. Wenn zwei Erzieherinnen Urlaub haben und eine krank wird, sieht es auch schlecht aus für den Bildungsauftrag.

Wie könnte man eine realistische Zahl der benötigten Kitaplätze ermitteln?

Man muss eine neue Elternumfrage starten.

Hat sich der Bedarf in den sechs Jahren so enorm verändert?

Ja. Da muss man sich zum einen nur die tatsächliche Inanspruchnahme von Kitaplätzen anschauen. Und zum zweiten, das muss man wirklich sagen, hat Frau von der Leyen, als sie noch Familienministerin war, eine Menge dafür getan, dass sich im Bewusstsein was verändert hat. Selbst Edmund Stoiber hat ja irgendwann, nachdem seine eigenen Töchter in dem Alter waren, Kinder bekommen zu können, gesagt, dass eine Tagesbetreuung wichtig sei, damit die Mütter wieder arbeiten können.

Wie würden Sie die Geldnot der Kommunen lindern?

Wir brauchen ein zweistufiges Verfahren. Das erste ist die neue Bedarfsermittlung, die regelmäßig wiederholt werden muss. Dann muss der Bund seinen Anteil klären, denn diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe darf er nicht den Kommunen allein überlassen. Wenn wir wissen, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist, muss der Bundeshaushalt die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.

Wird die Umsetzung schwierig?

Von der Koalition gibt es immer wieder die Forderung, Familien nicht mit Geld, sondern mit Sachleistungen zu unterstützen. Die beste Sachleistung sind qualitativ hochwertige Kitaplätze. Der Bund wäre gut beraten, diese auszubauen und würde damit nicht mal der eigenen Logik widersprechen. Ich habe zwar eine andere Motivation als die Koalition, warum ich den Kitaausbau möchte, aber es gibt anscheinend ein gleiches Ziel. Da kann man ja dann zusammen dran arbeiten.

Fragen: Grit Gernhardt

Neues Deutschland, 9. September 2010