Zum Hauptinhalt springen

Manche werden »nur« verstümmelt

Im Wortlaut,

Gewalt gegen Frauen in Irak hat dramatische Dimensionen erreicht

Am Sonntag erinnern die Vereinten Nationen weltweit an den Tag kontra Gewalt gegen Frauen. Nicole Kidman wird am Montag auf einer Pressekonferenz in New York als Sonderbotschafterin der UN-Frauenorganisation UNIFEM für publizistische Aufmerksamkeit zu diesem Thema sorgen.

Gewalt fordert Preis von schwangeren Müttern und von Kindern - Konflikt gefährdet die physische und psychische Gesundheit von Kindern - Hunger zwingt Hunderte, den Abfall nach Nahrung zu durchwühlen - Psychische Probleme und Stresskrankheiten nehmen zu - Kindergefangene missbraucht und gefoltert - Zahl der Schulmädchen sinkt - Frauenarzt von Extremisten angegriffen - Extremisten hetzen gegen Frauen.

Das ist eine Auswahl von Überschriften von Beiträgen des UN-Informationsnetzwerks IRIN, die es in den letzten Wochen nicht in die internationalen Schlagzeilen schafften. In Basra würden monatlich bis zu zehn Frauen ermordet, erklärte der Polizeichef der südirakischen Stadt, Generalmajor Abdeljalil Khalaf, im IRIN-Gespräch. »Einige werden auf Müllhalden gefunden, ihre Körper von Kugeln durchsiebt. Andere werden geköpft oder verstümmelt.« Im September habe man eine geköpfte Frauenleiche gefunden, neben ihr ihr ebenfalls geköpfter sechsjähriger Sohn, so der Polizeichef. Vermutlich sei die Zahl der getöteten Frauen höher, doch viele Familien würden sich aus Angst vor Repressionen nicht melden. »Die Täter agieren organisiert und wollen angeblich den wahren Islam verbreiten, aber mit dieser Religion haben sie nichts zu tun«, sagte Khalaf.

Es herrsche eine »Kultur des Extremismus«, so die Mitarbeiterin einer Frauenorganisation in Basra gegenüber IRIN, deren Name nicht genannt wurde. Vor der US-Invasion 2003 habe es das nicht gegeben, auch wenn die südirakische Stammeskultur Gewalt gegen Frauen nicht verurteilt habe. Man könne den Frauen nicht helfen, weil sie keine Schutzräume für bedrohte Frauen hätten, sagte die Mitarbeiterin.

Dem Bericht von Amnesty International über die Situation von Frauen in Irak ist zu entnehmen, dass Entführungen, Vergewaltigungen und sogenannte Ehrenmorde an Frauen meist von männlichen Verwandten begangen werden. Amnesty kritisiert sowohl die Regierung in Bagdad als auch die kurdische Regionalregierung, dass bisher keine gesetzliche Grundlage geschaffen wurde, wonach »Ehrenmorde« als kriminelle Handlungen eingestuft werden.

Anders als im südirakischen Basra ist es in den kurdischen Gebieten Nordiraks zumindest möglich, manchen Frauen zu helfen. In Sulaimaniya, der Hauptstadt der gleichnamigen kurdischen Provinz, betreuen zwölf Mitarbeiterinnen des sozialen Frauenzentrums KHANZAD Frauen, die männlicher Gewalt ausgesetzt waren oder sind. Nicht immer kommt es zum Mord, manche Frauen werden »nur« verstümmelt, erklärt Khandan Jaza, Leiterin des Zentrums. Weil jungen Frauen in der konservativen kurdischen Stammesgesellschaft ein selbstbestimmtes Leben kaum möglich scheint, versuchten manche, ihrem Leben ein Ende zu machen, so die Leiterin. Das sei für sie »das Schlimmste, wenn Frauen sich selber verbrennen«. Bei KHANZAD werden alle Fälle dokumentiert.

Selbst wenn ein Gesetz »Ehrendelikte« unter Strafe stelle, sei das keine Garantie für die Sicherheit von Frauen, sagt Khandan Jaza. »Ein Gesetz lässt sich leicht ändern, aber die Köpfe der Menschen ändern sich nur langsam.«

Von Karin Leukefeld

Neues Deutschland, 24. November 2007