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Lippenbekenntnisse

Im Wortlaut von Ulrich Maurer,

Kommentar

Von Ulrich Maurer, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Ähnlich einem Redner zum Ende seiner Rede plustert sich die Sozialdemokratie vor Wahlen immer wieder rot auf, ehe sie nach der Wahl wieder blass rosa mit der CDU koaliert. Hätte die Sozialdemokratie wirklich den Mut und den Willen sich für den Wähler sozial und demokratisch einzusetzen, müsste sie zwangsläufig eine Koalition mit der LINKEN suchen. Nach Thüringen, Saarland, Nordrhein-Westphalen und Mecklenburg-Vorpommern hat die SPD nun wieder einmal durch die Wahlen in Schleswig-Holstein und im Saarland die Chance, durch ein Bündnis mit der LINKEN die Mehrheit im Bundesrat zu stellen, damit das Bekenntnis zum Mindestlohn und die Ablehnung der Rente mit 67 keine bundespolitischen Phrasen bleiben, sondern in die Realität umgesetzt werden können.

Insbesondere im Saarland planen CDU und SPD soziale Kürzungen. Diese sind jedoch vollkommen unnötig, wenn es eine Vermögens- und Reichensteuer, durch den Bundesrat initiiert, gäbe. Dass die SPD an der Saar nun gleich nach Bekanntgabe des Scheiterns der Koalitionsgespräche zwischen CDU und SPD mitteilte, dennoch eine Große Koalition anzustreben, ist schon ein selten traurig, politisch aufgeführtes Drama.

Selbst beim Kartenspiel muss man Farbe bekennen. Der Sozialdemokratie reichen aber wohl Lippenbekenntnisse. Sie verschleiert und vertuscht ihre Altlasten. Wollte sie ernsthaft die Republik verändern, müsste sie die Einnahme-Seite in Kommunen, Ländern und im Bund sozial gerecht erhöhen und nicht auf dem Rücken der Steuerzahler austragen. Es geht nur darum: Unterstütze ich die Unternehmen, damit sie möglichst günstig Produkte vertreiben, oder unterstütze ich die Nachfrage, damit ich mir mehr leisten kann? In den letzten 10 Jahren sind die Reallöhne gesunken. Diese Politik muss geändert werden. Jahrelang hätte die SPD die Möglichkeit dazu gehabt, ließ sie aber ungenutzt. Wenn sie sich im Saarland wieder darauf einlässt, mit der CDU regieren zu wollen - ob als Juniorpartner oder als stärkerer Partner in einer Großen Koalition -, ist dies eine klare Ansage gegen jede soziale Politik. Damit kündigt sie eine Große Koalition nach der Bundestagswahl an, egal ob diese noch in diesem Jahr oder 2013 stattfinden wird.

Weitere Altlasten tun sich in der Causa des Bundespräsidenten auf. Er erklärt gebetsmäßig, zu sämtlichen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Er betrachtet sich als Vorreiter politischer Transparenz. Transparenz in der Politik soll insbesondere der Vertrauensbildung dienen. In meinen Augen bedeutet dies, einmal Stellung zu nehmen, um so alle offenen Fragen und Zweifel auszuräumen, und sich nicht erst immer dann zu erklären, wenn neue Frage auftauchen. Dies steht allen Ideen der Vertrauensgewinnung entgegen. Jeder Beamte müsste ein Disziplinarverfahren bei ähnlichen Vorwürfen befürchten. Wenn dies auch noch von dem obersten Repräsentanten des Staates erfolgt, ist er schlicht nicht mehr tragbar. Warum sich die Sozialdemokratie mit Händen und Füßen gegen einen Untersuchungsausschuss im niedersächsischen Landtag wehrt, bleibt eine offene Frage, zu der sie sich im Zuge der Transparenz auch einmal äußern sollte. Oder fürchtet sie die Enthüllung, dass die Agenda 2010 Schröder doch von Maschmeyer & Co. in den Block diktiert wurde.

linksfraktion.de, 23. Januar 2012