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Linke fordert Ende ihrer Überwachung

Im Wortlaut von Bodo Ramelow,

Partei sieht sich zu Unrecht unter Generalverdacht

BERLIN. Die Linksfraktion im Bundestag will sich mit allen juristischen Mitteln gegen ihre Überwachung durch den Verfassungsschutz wehren. "Wir werden einen renommierten Verfassungsrechtler beauftragen, uns in dieser Angelegenheit zu vertreten. Wir empfehlen auch der Linkspartei und der WASG, als Parteien tätig zu werden", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bodo Ramelow der Berliner Zeitung. "Das Maß ist voll", erklärte er mit Blick auf die jüngsten Enthüllungen, wonach nicht nur mehrere Mitglieder der Fraktion vom Geheimdienst beobachtet werden, sondern auch eine Sachakte über die Linksfraktion beim Verfassungsschutz geführt wird. "Wir sind an einem Punkt angelangt, wo man fragen muss, wer schützt uns vor dem Verfassungsschutz?"

Der Linkspartei-Politiker warf der Bundesregierung Machtmissbrauch vor. "Wir werden dadurch im demokratischen parlamentarischen Wettstreit massiv beeinträchtigt", kritisierte er. "Da wird eine Partei, die sich aus zwei Parteien aufbaut und die bei der Bundestagswahl extrem erfolgreich war, mit Mitteln, die nur der Bundesregierung obliegen, diskreditiert. Bei den Bürgern wird der Eindruck erweckt, als ob man es mit Gelump zu tun hätte, mit Verfassungsfeinden", empörte sich Ramelow.

In den vergangenen Monaten war bekanntgeworden, dass der Verfassungsschutz unter anderem Akten über Fraktionschef Oskar Lafontaine und Bodo Ramelow angelegt hat. In einer Antwort auf eine parlamentarischen Anfrage der Linksfraktion begründete die Bundesregierung die Bespitzelung mit der Rechtfertigung, in den Aussagen und der politischen Praxis der Linkspartei gebe es "Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen".

Ein anderer Vorwurf lautet, die Aktivitäten der Partei seien gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet. Eine absurde Behauptung, findet Ramelow. "Eine einfache Quellenrecherche über unsere Beschlusslage in beiden Parteien und unsere parlamentarische Arbeit würde diesen Vorwurf sehr schnell widerlegen."

Pauschal in der Extremistenecke

Ramelow sieht bei der Überwachung durch den Verfassungsschutz eine "neue Qualität" erreicht. "Uns wird nicht mehr vorgeworfen, dass wir irgendeinen extremistischen Flügel haben. Jetzt geht es um die Substanz der Partei." So werde eine gesamte Partei vom Staat unter Generalverdacht gestellt. "Das heißt, wer in der Linkspartei ist, läuft immer Gefahr, per se verdächtig zu sein", kritisierte er. 7 000 Kommunalabgeordnete, 150 Landtagsabgeordnete - die drittgrößte Anzahl in Deutschland nach CDU und SPD - 53 Abgeordnete im Bundestag und sieben im Europaparlament würden pauschal in eine Extremistenecke gestellt.

Den Abgeordneten in den Landtagen und im Bundestag wurde jetzt von der Fraktionsspitze empfohlen, Antrag auf Auskunft beim Verfassungsschutz zu stellen. Ramelow selbst will seinen Fall exemplarisch durchfechten und hat vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen seine Bespitzelung geklagt. Die Auskunft der Regierung, die Überwachung beeinträchtige nicht seine Arbeit als Abgeordneter, hält er für "absonderlich". "Wenn ich von Bürgern höre, sie trauen sich nicht mich anzurufen, weil sie Angst haben, dass ich abgehört werde, dann ist meine Rolle als Oppositionspolitiker sehr wohl stark beeinträchtigt", sagte der Vize-Fraktionschef.

Mira Gajevic

Berliner Zeitung, 31. Januar 2007