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»Lausitzer Gartenerde« auch bei Linken out

Im Wortlaut von Hans-Kurt Hill,

Linksfraktion bot Podium für Streitgespräch über Zukunft der europäischen Klimapolitik

Linkspartei und Greenpeace fordern die Energiewende: Statt weiter auf CO2-intensive Energiequellen zu setzen, sollte schnellstmöglich auf die Nutzung erneuerbarer Energien umgestellt werden. Daren sich die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion der Linksfraktion im Bundestag letzte Woche in Berlin einig.

Seit Wochen ist der Klimaschutz in den Schlagzeilen. Trotz großer Beschwörungen und ungemütlichen Zukunftsszenarios scheinen die Fronten zwischen Umweltschützern und fossiler Energiewirtschaft verhärtet. Wie letzte Woche bekannt wurde, planen die großen Energieversorger über 40 neue Stein- und Braunkohlekraftwerke.

Beim Streitgespräch »Gipfelt die europäische Energiepolitik im Klimachaos?«, das letzten Donnerstag im Europäischen Haus in Berlin stattfand und von der Linksfraktion im Bundestag organisiert wurde, traten die beiden unversöhnlichen Seiten zu einem Schlagabtausch an. Tobias Münchmeyer von Greenpeace Deutschland und Stephan Krieger vom Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) fanden in keinem Punkt zusammen: Während der VDEW, der für über 750 Energieversorgungsunternehmen spricht, dem Klimaschutz mit höheren Wirkungsgraden bei Kohlekraftwerken und mit mehr Energieeffizienz beim Kunden voranbringen will, glaubt die Umweltorganisation, nur mit einer grundlegenden Energiewende das Klimachaos noch verhindern zu können. Letzteres ist auch die Position der Linksfraktion, wie ihr energiepolitischer Sprecher Hans-Kurt Hill in der Diskussion klar machte. Auch die Linken im Europaparlament sehen nur in einer massiven Stärkung der Erneuerbaren Energien eine wirkliche Chance, CO2 im großen Stil einzusparen, betonte der Straßburger Abgeordnete Helmuth Markov.

Die Unterlegenheit von VDEW-Sprecher Krieger lag nicht an der personellen Übermacht der Umweltseite, sondern schlicht an seinen schwachen Argumenten. Denn dass die Kohle durch neue Wundertechniken zu einem umweltfreundlichen Energieträger gemacht werden könnte, glaubten im Publikum nur die Wenigsten. Sogar die »Lausitzer Gartenerde« - gemeint ist die besonders CO2-intensive Braunkohle - sei trotz ihrer langen DDR-Geschichte bei vielen Ostdeutschen nicht mehr »in«, betonte ein Teilnehmer der Veranstaltung.

Damit blieb dem VDEW-Vertreter nichts weiter übrig, als immer wieder mit hohen Verbraucherpreisen zu drohen, die eine Energiewende am Ende kosten werde. Wer aber vom Status quo profitiere, so konterte Greenpeace-Aktivist Münchmeyer, das seien die vier großen Energiekonzerne. Am Festhalten an alten Atom- und Kohlekraftwerken sowie fossilen Energieträgern würden sich Konzerne wie Vattenfall und RWE eine »goldene Nase« verdienen.

Auch wenn die Umweltseite an diesem Abend argumentativ klar obsiegte, sehen die Kräfteverhältnisse im Alltag anders aus. Im Moment sieht es sogar beinahe so aus, als wenn Bundesumweltminister Sigmar Gabriel den Streit um die Vergabe von Emissionszertifikaten an Kohlekraftwerke gegen Wirtschaftsminister Michael Glos verlieren wird und Braunkohlekraftwerke auch weiterhin niedrigeren CO2-Auflagen unterworfen sind. Und das ist noch nicht alles: Die Internationale Energieagentur (IEA) wie auch die dem Glos-Ministerium unterstehende Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe weisen seit langem darauf hin, dass tendenziell mit einem steigenden Kohleverbrauch gerechnet werden müsse. Das Massachusetts Institute of Technology konstatierte in einer aktuellen Studie sogar, dass es auf Grund von reichlichen, billigen Vorräten zu einer Renaissance der Kohle kommen könnte.

Von Susanne Götze

Neues Deutschland, 2. April 2007