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Kurzinformation zur Tarifrunde öffentlicher Dienst

Nachricht von Werner Dreibus,

Vorbemerkung

Eine der wichtigsten tarifpolitischen Auseinandersetzungen im Jahr 2008 ist die Tarifrunde im öffentlichen Dienst Bund und Kommunen. Nahezu parallel finden zudem die Tarifrunden in der Stahl- und Chemieindustrie mit Forderungen der Gewerkschaften von 7 bzw. 8 Prozent statt.

Im Einzelhandel haben die Arbeitgeber nach wie vor kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt. Insbesondere wollen sie die Zuschläge für Spät- und Wochenendarbeit abschaffen.

Die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst betrifft 1,3 Millionen Beschäftigte (Kommunen: 1,15 Millionen, Bund: 160 000). Vor dem Hintergrund, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in den letzten drei Jahren Reallohnverluste hinnehmen mussten, ist die Tarifrunde auch für die Zukunft von verdi bedeutsam. Der öffentliche Dienst ist traditionell einer der streikfähigsten Bereiche der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft.

ver.di und der dbb Beamtenbund und Tarifunion gehen mit der Forderung nach 8 Prozent höheren Entgelte bzw. mindestens 200 Euro mehr in die Tarifrunde. Außerdem sollen die Entgelte im Osten dem Westniveau angeglichen werden.

Die Arbeitgeberverbände hatten schon früh die Forderung vertreten, Entgelterhöhungen durch Arbeitszeitverlängerungen zu finanzieren. Insbesondere die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) fordert, angesichts des Tarifabschluss bei den Ländern, eine 40 Stunden-Woche. Das in der zweiten Verhandlungsrunde (24. Januar) vorgebrachte Angebot der Arbeitgeberseite wurde von den Gewerkschaften als Provokation empfunden. Folgerichtig riefen die Gewerkschaften zu massiven Warnstreiks auf, als sich die Arbeitgeberseite auch in der dritten Verhandlungsrunde (11./12. Februar) nicht bewegte.

Die Forderungen der Arbeitgeber

Scheinbare 5 Prozent

Das Angebot der Arbeitgeberseite von 5% Entgelterhöhung und der Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden ist bei genauerer Betrachtung ein Minusgeschäft für die Beschäftigten. Konkret haben sie die, auf die Laufzeit von 24 Monaten zeitlich versetzten, Erhöhungen (2,5 Prozent zum 1. Februar 2008, 1,0 Prozent zum 1. Oktober 2008, 0,5 Prozent zum 1. März 2009) und das Leistungsentgelt von 1 Prozent (0,5 Prozent jeweils für 2008 und 2009) addiert.
Daraus ergibt sich jedoch nur ein Lohn-Plus von 3,97 Prozent. Zudem kommt das Leistungsentgelt nicht allen Beschäftigten gleichermaßen zu Gute. Es wird daher von den Gewerkschaften nicht in die Erhöhung eingerechnet.
Verrechnet werden muss zudem die von den Arbeitgebern geforderte schrittweise Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden (2008: 39,5 Stunden, 2009: 40 Stunden) Bei dieser Arbeitszeitverlängerung würden die Beschäftigten des Bundes (jetzt: 38,5 Stunden) 1,37 Prozent und die kommunalen Beschäftigten (jetzt 38 Stunden) 0,07 Prozent Entgelterhöhungen erhalten.

Da auch die Preissteigerungsrate in die Berechnungen einbezogen werden muss, wird überdeutlich: Das Angebot der Arbeitgeberseite bedeutet kräftige Reallohnsenkungen.

Überleitungsregelungen und neue Entgeltordnung
Aus der Überleitung des Tarifrechts BAT in TVöD im Jahr 2005 sind noch einige Fragen offen. Um die Tarifreform abzuschließen, muss insbesondere eine neue Entgeltordnung verhandelt werden. Die Arbeitgeberseite zögerte allerdings eine Klärung hinaus, um die Verhandlungsmasse in der Tarifrunde zu erhöhen. Dies gilt auch für einige schon verhandelte Verbesserungen des TVöD zu Gunsten der Beschäftigten. Sie wurden von der VKA bisher nicht ratifiziert.

Das vorübergehend geltende Überleitungsrecht kann nunmehr Ende 2007 ersatzlos von der Arbeitgeberseite gekündigt werden kann. Gibt es keine Vereinbarung mit den Gewerkschaften, können die Arbeitgeber einseitig und zu Ungunsten der Beschäftigten Eingruppierungen vornehmen. Dies bedeutet für die Beschäftigten zum Teil erhebliche Einkommenseinbußen.
Bisher hat sich die Arbeitgeberseite in der Tarifrunde weder zu einer Fortgeltung der Überleitung noch zu einer Neuregelung geäußert.

Abkopplung der Krankenhäuser

Die Forderung der VKA an die ca. 450 000 Beschäftigten der kommunalen Krankenhäuser geht noch über das Minus-Angebot hinaus. So soll die derzeit geltende monatliche Zulage von 35 Euro mit den scheinbaren 5 Prozent verrechnet werden. Zudem wollen die Arbeitgeber die Zahlung des Leistungsentgelts von 1 Prozent an die Ertragslage des jeweiligen Krankenhauses koppeln.

Ost/ West-Angleichung

Die Arbeitgeber wollen die Angleichung der Entgelte im Tarifgebiet Ost an diejenigen im Tarifgebiet West verzögern. Für den Osten sollen die erste Erhöhung zum 1. Februar 2008 erst am 1. Juni 2008 und die zweite Erhöhung zum 1. Oktober 2008 erst zum 1. März 2009 gewährt werden.

Ausblick

Es ist kaum zu erwarten, dass es in den nächsten beiden Verhandlungsrunden (4. Runde: 25./26. Februar, 5. Runde: 06./07. März) zu einer Einigung kommen wird, so dass eine Schlichtung über Ostern wahrscheinlich ist. Stimmberechtigter Schlichter ist dabei Lothar Späth (ehem. Ministerpräsident Baden-Württemberg, CDU), dem die Arbeitgeberseite benannt hat. Die Gewerkschaften haben Herbert Schmalstieg (ehem. Bürgermeister von Hannover, SPD) berufen.
Sollte die Schlichtung nicht erfolgreich sein, ist ab April mit einem Großkonflikt im öffentlichen Dienst zu rechnen.