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Krisenalltag in Griechenland – Gegenöffentlichkeit schaffen

Im Wortlaut von Werner Dreibus,

Die Bundestagsabgeordneten (von links) Christine Buchholz, Sabine Leidig und Werner Dreibus während des Gesprächs

 

Von Werner Dreibus

 

Am 29. August hatten wir in meinem Wahlkreisbüro in Hanau zwei griechische Gewerkschafterinnen zu Gast, die aus eigenem Erleben über die Lage in Griechenland berichteten. Die Lehrerin Agiro Baduva, Vorstandsmitglied der Lehrergewerkschaft, und die Software-Ingenieurin Alkistis Tsolakou, Betriebsratsvorsitzende von Nokia-Siemens Hellas, waren auf Einladung der DGB-Jugend Hessen-Thüringen auf Solidaritätstour in Hessen unterwegs.

Sie nutzten ihren Aufenthalt in Hanau – unter anderem besuchten sie eine Vertrauensleutesitzung der IG-Metall im Betrieb der Vakuumschmelze - zu einem öffentlichen Informationsgespräch mit Christine Buchholz, Sabine Leidig und mir sowie etlichen Gästen einschließlich der Presse. Drastisch schilderten sie dabei die aktuelle Lebenssituation in Griechenland und diskutierten mit uns die politischen Perspektiven sowie die Erwartungen und Chancen an und für die politische Linke.

„Fünf Jahre Sparpolitik der sozialdemokratischen und konservativen Regierungen in Griechenland zeigen: so funktioniert das nicht“, stellte Alkistes Tsolakou unter anderem fest. Die Staatsschulden seien weiter gewachsen, die Arbeitslosenquote auf über 27 Prozent, bei den unter 29-Jährigen auf weit über 50 Prozent gestiegen. Die von den griechischen Konservativen und Sozialdemokraten politisch durchgesetzte Aufhebung der Tarifverträge habe zu einer deutlichen Verringerung der Einkommen, der Binnennachfrage und in der Folge auch der Steuereinnahmen geführt. Die Privilegien der Reichen seien dagegen nicht angetastet worden – ihre Steuer“last“ sei unverändert niedrig.

Agiro Baduva ergänzte aus ihrer persönlichen Erfahrung die Situation im Bildungsbereich: Die Regierung habe, um zu sparen, 2000 Schulen geschlossen, die Kosten für den längeren Schulweg aber nicht übernommen. Die Lehrmittelfreiheit sei abgeschafft, und im Winter würden an vielen Schulen die Heizungen abgestellt. Es sei keine Seltenheit, dass Schülerinnen oder Schüler aus Müdigkeit oder Hunger vom Stuhl fallen.

Die authentische Schilderung, was die angeblich so alternativlose Sparpolitik für die der Mehrheit der Menschen in Griechenland bedeutet, ging allen Anwesenden unter die Haut. Wir wissen von unseren Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen, dass die Solidaritätstour der griechischen Gewerkschafterinnen eine beachtliche Resonanz in den hessischen Betrieben hatte. Christine, Sabine und ich waren uns mit den Anwesenden einig, solche Möglichkeiten zukünftig verstärkt zur Etablierung einer Gegenöffentlichkeit nutzen und organisieren zu wollen.

Die Schilderungen der griechischen Gewerkschafterinnen zeigen nicht nur, wie wichtig unsere menschliche Solidarität mit der Mehrheit der Griechinnen und Griechen und unser politischer Einsatz für eine alternative Politik in Griechenland ist. Wie diese konkret aussehen könnte, hat DIE LINKE in den vergangenen Monaten immer wieder formuliert. Die Schilderungen zeigen auch, welche Politik uns in Deutschland bevorsteht, wenn wir es nicht schaffen sollten, gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen einen starken Widerstand zu organisieren. 

 

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