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Kolumbien: Politische Lösung des Konflikts ist überfällig

Im Wortlaut von Heike Hänsel,

Nach der Präsidentenwahl in Kolumbien befindet sich das Land am Scheideweg. Setzt der neue Präsident Santos die Politik der Militarisierung und der Straflosigkeit seines Vorgängers Uribe fort oder öffnet sich die neue Regierung für einen politischen Friedensprozess zur Lösung des seit mehr als 40 Jahre andauernden bewaffneten Konflikts?

Heike Hänsel (3. v. li.) am 17. August 2010 in Bogotá/Kolumbien mit Aktivistinnen beim Treffen der "Frauen und Völker Amerikas gegen die Militarisierung".

Auf Einladung des zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses „Kolumbianerinnen und Kolumbianer für den Frieden“ und deren Koordinatorin, Senatorin Piedad Córdoba, nahm ich vom zwölften bis achtzehnten August in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá an einem Internationalen Strategietreffen über Herausforderungen der neuen nationalen und regionalen politischen Situation teil.

Die Bevölkerung Kolumbiens hofft auf Frieden und eine wirkliche Überwindung der ungleichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, welche die Ursache für Armut und Krieg sind. Präsident Santos hatte anläßlich seiner Amtseinführung einen neuen diplomatischeren Ton angeschlagen, der genau diese Hoffnung nährte.

Doch der kolumbianische Konflikt belehrte mich gleich bei der Ankunft am 12. August eines Besseren. Es gibt übergreifende Interessen, die das lukrative Geschäft mit dem Krieg nicht aufgeben wollen: die staatliche Militärmaschinerie (Ausgaben bis zu 6% des BIPs), das Drogengeschäft, der Waffenhandel und nicht zuletzt die Interessen derer, die die Politik der militärischen Befriedung und Besetzung des Landes der Vorgänger fortsetzen wollen, um weiterhin die ungehemmte Ausbeutung der Rohstoffe und die Verträge der ausländischen Investoren aufrecht zu erhalten. Die Autobombe, die vor dem Gebäude des privaten nationalen Rundfunksenders CARACOL in Bogota am Tage meiner Ankunft explodierte, ist in diesem Sinne zu verstehen. Zeitgleich erhielten zahlreiche linke politische Aktivisten Todesdrohungen per handy und email, darunter auch KolumbianerInnen für den Frieden.

Im Verlauf der Konferenz, die sich mit der Suche nach Verhandlungslösungen beschäftigte, brach die Nachricht herein, dass sich der neugewählte Präsident vor der versammelten Militärführung bei einer öffentlichen Zeremonie von jeglicher zivilgesellschaftlicher Friedensinitiative distanzierte und als unerwünschte „Parallel-Diplomatie“ abqualifizierte.

Hinsichtlich dieser Entwicklung in Kolumbien kann vorerst nicht mit einer Entspannung gerechnet werden. Die Fähigkeit und Ernsthaftigkeit der Konfliktparteien wird daran gemessen werden, ob sie die notwendigen Schritte unternehmen werden, um den Konflikt tatsächlich zu lösen. Dazu gehören: die Anerkennung und Implementierung des internationalen humanitären Rechts, die Entmilitarisierung der Politik, das Ende der Präsenz ausländischer Truppen, die Aufklärung zahlreicher Massaker und politischen Morde, die Abschwörung von Entführungen, die Ablehnung des Einsatzes von Kindersoldaten und Landminen, die Umsetzung einer Agrarreform, welche den Vertriebenen und anderen Kleinbauern Ernährungssouveränität ermöglicht und die Einführung von wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen. Dazu bedarf es sehr wohl der Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen. Diese Gruppen brauchen deshalb in ihren mutigen Anstrengungen - trotz Todesdrohungen weiter zu arbeiten - unsere Solidarität und Unterstützung. Die Fraktion DIE LINKE will dazu parlamentarisch und außerparlamentarisch einen Beitrag leisten, wie bereits im gemeinsamen Widerstand gegen das EU-Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru.

Von Heike Hänsel

linksfraktion.de, 30.08.2010