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Koalitionsvertrag: Schlechte Nachrichten für Europa

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Von Alexander Ulrich
 

 

 

 

Nachdem die SPD in der vergangenen Wahlperiode von Fiskalpakt bis ESM jede europapolitische Schandtat der schwarz-gelben Bundesregierung mitgetragen hat, entwickelte sie sich im Wahlkampf zum scharfen Kritiker ebendieser Politik. Eine Sozialunion sollte es statt Kürzungsdiktaten geben. Ebenso existenzsichernde Mindestlöhne in der gesamten EU und eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsschulden. Die Macht der Finanzmärkte sollte u.a. durch eine Regulierung von Hedgefonds gebrochen werden. Und überhaupt sollte der Finanzsektor statt der Bevölkerung für die Kosten der Krise aufkommen.

Mit der Unterschrift ihres Vorsitzenden unter den Koalitionsvertrag ist die SPD wieder zu ihrer alten Linie zurückgekehrt. Der europapolitische Teil dieses Vertrages lässt sich so zusammenfassen: An der bisherigen deutschen Europapolitik wird sich rein gar nichts ändern - außer vielleicht, dass sie noch entschlossener und kompromissloser durchgesetzt wird, weil die Regierung künftig 80 Prozent der Abgeordneten in ihren Reihen weiß.

Die Koalitionäre haben sich auf eine Fortsetzung der Doppelstrategie aus „Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen“ geeinigt. In anderen Worten auf eine Fortsetzung der Politik des permanenten Sozialabbaus, der Zerstörung öffentlicher Beschäftigung, der Privatisierung öffentlichen Eigentums und der Rücknahme von Arbeitnehmerrechten. Kredite aus ESM-Mitteln an besonders hart von der Krise betroffene Länder soll es auch weiterhin nur „im Gegenzug zu strikten Auflagen“ geben. Eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsschulden wird nun entschieden abgelehnt. Denn das würde die „notwendige Ausrichtung der nationalen Politiken“ gefährden. Notwendig = neoliberal.

Die alte SPD-Forderung nach umfassenden öffentlichen Investitionen zur Schaffung von Wachstum und Beschäftigung steht hingegen nicht auf der Agenda. Ebenso wenig ein Abbau der deutschen Außenhandelsüberschüsse, die die europäische Wirtschaft erheblich belasten. Auch eine strenge Finanzregulierung und Beteiligung der Banken an den Krisenkosten wird nicht angestrebt. Und armutsfeste Mindestlöhne wird es nicht einmal in Deutschland geben - zumindest nicht in den nächsten vier Jahren.

Um eine neoliberale deutsche Regierung zu bekommen, die den Rest der Eurozone zum eisernen Sparen verdonnert und immer weiter in die Krise treibt, hätten wir die FDP nicht abwählen müssen. Dieser Koalitionsvertrag enthält nicht im Ansatz eine „sozialdemokratische Handschrift“. Wer in Südeuropa auf einen Kurswechsel in Deutschland hoffte, wurde herbe enttäuscht. Es sei denn natürlich, die SPD-Basis nutzt den Mitgliederentscheid um dieses unsägliche Regierungsprojekt doch noch in der Mülltonne zu versenken. Für Sozialdemokraten sollte dieser Koalitionsvertrag nicht zustimmungsfähig sein.

 

linksfraktion.de, 4. November 2013