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"Koalition mit der SPD ist absehbar"

Im Wortlaut von Ulrich Maurer,

Maurer zur Zukunft der Linken

Nach langen Geburtswehen vereinigt sich am Samstag die PDS mit der Wahlalternative soziale Gerechtigkeit zur neuen Linken. Ulrich Maurer, ehemals Chef der SPD in Baden-Württemberg, soll die Partei im Westen voranbringen. Mit ihm sprachen Armin Käfer und Thomas Maron.

Sie werfen SPD-Chef Kurt Beck vor, er befinde sich in "geistig-moralischer Opposition zu sich selbst". Wie meinen Sie das?

Er greift Frau Merkel an und die Union wegen einer neoliberalen Politik, die er selbst als einer der tatkräftigsten Unterstützer von Gerhard Schröder vorangetrieben hat und die er natürlich auch jetzt in der großen Koalition als Parteivorsitzender verantwortet. Er sitzt schließlich im Koalitionsausschuss. Wenn er diese Politik jetzt kritisiert, befindet er sich in der Tat in Opposition zu sich selbst.

Macht es Ihnen eigentlich Spaß, die ehemaligen Kollegen der SPD leiden zu sehen?

Es macht mir weder Spaß, noch macht es mich traurig. Ich versuche, eine Politik zu ändern, die ich für ganz falsch halte. Und im Moment ist eben die Lage so, dass man sehr hohen Druck auf die SPD ausüben muss, wenn man dies erreichen will.

In der PDS sagen jene, die gern regieren würden, dass Lafontaine mit seiner polarisierenden Art die Linke um Jahre zurückgeworfen habe. Man hätte ohne ihn eine Regierungsbildung im Bund schon 2009 erreichen können.

Das ist eine regionale Sicht der Dinge. Wenn man die Strategie verfolgen würde, nun möglichst rasch in den neuen Ländern Koalitionen mit der SPD zu bilden, dann könnte ich diese Sicht nachvollziehen. Da wir die Politik in Deutschland verändern wollen und nicht so sehr den Akzent auf regionale Regierungsbeteiligungen setzen, ist die Strategie, die wir gewählt haben, richtig. Wir opfern unsere Glaubwürdigkeit nicht auf dem Altar von Regierungsbeteiligungen. Es ist im Übrigen falsch, wenn Lafontaine nachgesagt wird, er wolle reine Oppositionspolitik betreiben. Da unterschätzt man ihn.

Heute legen Sie den Text der Unterschriftenkampagne der SPD für einen Mindestlohn im Bundestag zur Abstimmung vor. Sie führen damit die SPD in der Öffentlichkeit vor. Sieht so die Vorbereitung künftiger Bündnisse aus?

Vergleichen Sie doch mal die Positionen der SPD zur Union zwei Wochen vor der Bundestagswahl und drei Wochen danach. Da bekommen Sie schnell ein Gefühl dafür, was in der Politik geht, wenn Mehrheiten gefunden werden müssen. Die Haltung: mit dir mach ich nichts mehr, weil du mich beleidigt hast, ist Kindergarten. Die SPD muss und wird irgendwann begreifen, dass sie eine politische Mehrheit ohne Union dann bekommen kann, wenn sie ihren Kurs ändert.

Wann rechnen Sie damit?

Die SPD-Führung macht eine Politik gegen ihre Mitglieder und Wähler. Das lässt sich in der Afghanistanfrage, bei der Rente mit 67, der Gesundheitsreform und der so genannten Steuerreform belegen. In dem Moment, in dem die SPD-Führung sich gezwungen sieht, wieder eine Politik im Einklang mit ihren Wählern und Mitgliedern zu machen, ist dieser Zeitpunkt erreicht. Das wird, glaube ich, nicht mehr ewig dauern. Früher oder später wird unser Erstarken zu Koalitionsprojekten führen, da bin ich mir sicher.

Aus Sicht der PDS hat die WASG der neuen Linken den westdeutschen Gewerkschaftsflügel erschlossen. Was werden Sie den Gewerkschaftern nach der Vereinigung anbieten?

Wir haben uns im Westen nie in einer instrumentalen Rolle für die PDS verstanden. Aber gleichwohl sind die Gewerkschaften ein wichtiger potenzieller Partner. Uns wird aber zu Unrecht immer unterstellt, wir würden eine ausgeklügelte Abwerbestrategie verfolgen. Nein, wir vertreten lediglich Inhalte, die in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle identisch sind mit Positionen der Gewerkschaften. Ich glaube im Übrigen, dass nicht nur bei den Gewerkschaften, sondern auch in vielen anderen Gruppen der Gesellschaft im Moment verstanden worden ist, dass allein unser Erscheinen auf der politischen Bühne die Parameter der gesamten bundesdeutschen Politik nach links verschoben hat. Es ist doch bemerkenswert, dass jetzt selbst im christdemokratisch-katholischen Lager Kapitalismuskritik angesagt ist. Es ist bemerkenswert, dass jetzt plötzlich alle Welt über Mindestlohn diskutiert - im Wahlkampf 2005 waren wir noch die Einzigen.

Sie sind eine junge Partei mit nicht ganz so jungen und vor allem nur männlichen Kandidaten für die Spitzenämter - Oskar Lafontaine und Lothar Bisky sind beide über 60. Katja Kipping fordert deshalb einen Wechsel schon im kommenden Jahr. Wie lange wird es dauern, bis ein Generationswechsel vollzogen werden kann?

Wir stellen mit großer Freude fest, dass wir in der Generation der 20- bis 35-Jährigen mittlerweile viel zu bieten haben. Interessanterweise mehr junge Frauen als Männer. Deshalb rate ich zu etwas Geduld. Wir, die wir das jetzt machen, organisieren jetzt den Übergang. Die Phase, in der sich diese neue Partei festigen wird, dauert vielleicht drei Jahre. Und dann wird sich dieser Generationswechsel vollziehen und damit auch eine noch stärkere Repräsentanz von Frauen in der Parteiführung widerspiegeln.

Sie gehören auch zu jenen, die einen Posten abbekommen werden.

Ich kandidiere für die Funktion des Beauftragten für den Parteiaufbau West. Glauben Sie bloß nicht, dass da die Abteilung "schöner Leben" für mich eröffnet wird. Aber es ist notwendig. Unser Ziel ist, dass wir in den kommenden zwei Jahren die Mitgliederzahl im Westen verdoppeln, von etwas mehr als 12 000 auf 25 000. Daran werde ich mich messen lassen müssen.

Stuttgarter Zeitung, 14. Juni 2007