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Klimawandel: Gut versichert im Klassenkampf

Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter,


 

Von Eva Bulling-Schröter, energie- und klimapolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Die Große Koalition hat wieder einmal ihre große Verantwortung für die Länder des Südens entdeckt. “Was wir an Schadstoffen produzieren”, erkannte jüngst Entwicklungsminister Gerd Müller bei einer Vorbereitungskonferenz für den G7-Gipfel im bayerischen Schloss Elmau mit bierernster Miene, das “kommt bei ihnen an”. Das Timing dieser Einsicht des gereiften CSU-Politikers, der in seiner politischen Jugend noch Todesstrafe für Drogendealer forderte und Anti-Abtreibungsdemos organisierte, könnte besser nicht sein. Im Dezember steigt in Paris der UN-Weltklimagipfel. Davor will die Bundesregierung als G7-Gastgeberin in Elmau Anfang Juni noch einen auf Klimaretterin machen. Denn unterm Eiffelturm soll im Winter nicht nur ein weltweites Klimaabkommen zustande kommen, um die weiter steigenden CO2-Emissionen einzudämmen. Mit dabei in Europas Hauptstadt der Liebe sind auch über 3000 Journalisten.

Gerd Müller wäre nicht Gerd Müller, wenn er diese Medien-Vorlage nicht “abstauben” würde. Also läuft man sich in der Union - ganz christdemokratisch besorgt über die Armen und Schwachen - schon mal warm. Richtig ist: Es sind die Menschen in Bolivien, Bangladesch und Botswana, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Und der historisch auf die Rechnung der reichen Industriestaaten geht. Über 200 Millionen Menschen sind es schon heute, die durch Folgen des Klimawandels wie Ernteausfälle durch Dürren oder der Zerstörung ganzer Dörfer und Städte durch Überschwemmungen oder Wirbelstürme aus ihrer Heimat getrieben werden - Tendenz steigend.

So weit, so schlecht. Für den Entwicklungsminister, der auf einem Bauernhof in Schwaben groß wurde und damit die Nöte der Landbevölkerung kennt, muss Abhilfe her. Mit seinem letzte Woche und großem Tamtam vorgestellten Lösungsansatz kann sich der Berufspolitiker aus dem Junge-Union-Stall dem Applaus der neoliberalen Fankurve sicher sein. Klimabedrängte Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie arme Staaten rund um den Globus, so das Müllersche Zaubermittel zur Anpassung an das verrückt spielende Wetter, sollen sich doch einfach mit “Klimarisikoversicherungen” eindecken.

Mit dem neuesten Paradebeispiel aus dem Notfallkasten marktkonformer Klimaschutz-Politik will Deutschland in den G7 “Vorreiter” werden. Natürlich hat das Ministerium eine Ziel-Zahl parat, nämlich “die Anzahl armer Menschen mit Zugang zu Versicherungsschutz um 400 Millionen zu steigern”. In bewährter Private-Public-Partnership-Manier will man öffentliche Mittel der G7-Staaten, aber auch Kapital der Privatwirtschaft in Bewegung setzen, um “eine möglichst große Wirkung” zu erreichen. Für den Aufbau des Klimaschutz-Versicherungswesens werde der Bund 150 Millionen Euro “bereitstellen”, legt der CSU-Minister eine medienfreundlich große Summe auf den Tisch. Bereits für den ersten Testballon, die African Risk Capacity (ARC) gegen Dürreschäden in afrikanischen Staaten mit Sitz der Versicherungs-GmbH auf der Steueroase Bahamas, gab Deutschland zusammen mit Großbritannien ein Millionen-Startgeld. Was gerne verschwiegen wird: Nicht geschenkt, sondern in Form eines zinslosen Darlehens der Kreditanstalt für Wiederaufbau, rückzahlbar bis 2035.

Klimaschutzhilfe wird so - wieder einmal - zur Wirtschaftsförderung. Die Versicherungsbranche, das weiß jedes Kind, ist nicht für Wohltätigkeit und Soziales zuständig. Da trifft es sich gut, dass etwa die Münchener Rück schon in den Startlöchern sitzt, um ins Geschäft mit den “Ärmsten der Armen” (Müller) einzusteigen. Nur 15 Minuten Fußweg von der CSU-Parteizentrale hat eines der weltweit führenden Rückversicherungsunternehmen seinen Sitz. Wie sagt einer der größten Anteilseigner der bayerischen Aktiengesellschaft, der US-Milliardär Warren Buffet so schön: “Wir investieren nur, wenn die langfristigen Aussichten gut sind.” Also gute Profite zu erwarten sind. Der Klimawandel, warnen Expertinnen und Experten einhellig, wird die Kluft zwischen Arm und Reich auf der Erde wohl weiter vergrößern. Das weiß auch Buffet, der im Erdöl- und Energiesektor, im Geschäft mit Nahrungsmitteln und im Rohstoff-Business seine Milliarden verdient. Im Gegensatz zu Müller kann sich der drittreichste Mann der Welt auch Ehrlichkeit leisten: “Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.”