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Klima- oder Kohlegipfel?

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Mit einer Projektion auf einen Kühlturm des Kohlekraftwerks in polnischen Belchatow weisen Greenpeace-Aktivisten am 9. November 2013 auf den Klimawandel hin. Foto: Greenpeace dpa

 

 

Von Bernd Brouns

Der Klimagipfel begann mit einem emotionalen Appell des philippinischen Regierungsvertreters Naderev Sano. Unter dem Eindruck der dramatischen Folgen des Taifun „Haiyan“ forderte er unter Tränen ernsthafte Beschlüsse gegen den Klimawandel. Was folgte war tosender Applaus im Plenum und eine spontane Gedenkminute. Manch ein Beobachter sah darin einen Weckruf für die seit Jahren dahin dümpelnden Verhandlungen. Folgt jetzt der Aufbruch und alles wird gut?

Bereits eine Woche vor Ende des Gipfels lässt sich diese Frage mit einem klaren „Nein“ beantworten. Im Gegenteil: zwei Tage nach der Gipfeleröffnung kündigte der neue australische Premier Tony Abbot an, den Klimaschutz in die Warteschleife zu schicken. Das Ziel der Vorgängerregierung, den Klimagasausstoß im Lande um 15 bis 25 Prozent zu reduzieren dampfte er auf 5 Prozent ein. Die erst 2012 eingeführte CO2-Steuer hatte der als „Klimaskeptiker“ bekannte Abbot bereits kurz nach Regierungsantritt abgeschafft. Einen Tag später schraubte die japanische Regierung ihre Klimaziele erheblich runter. Als Folge der Atomkatastrophe von Fukushima setze Japan zumindest vorerst verstärkt auf die Verbrennung von Gas, Öl und Kohle. Statt um ein Viertel könnten die CO2-Emissionen nur noch um 3 Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 gesenkt werden.

Nichts war also mit einem neuen Aufbruch für die UN-Klimapolitik in Warschau. Vielmehr wurde wieder einmal überdeutlich, dass es in den Verhandlungen nur vordergründig um Klimaschutz, de facto aber um die Durchsetzung massiver Wirtschaftsinteressen geht. Heimische Industrien sollen geschützt, keine Barrieren für ein florierendes Wirtschaftswachstum aufgebaut werden. Wessen Interessen mit im Spiel sind, enthüllt ein Blick auf die Klimagipfel-Webseite des Gastgebers. Dort wird unter anderem ArcelorMittal als Unterstützer der polnischen Regierung bei der Vorbereitung der Konferenz gedankt. Der weltgrößte Stahlproduzent fiel in den letzten Jahren durch aggressives Lobbying gegen das Stopfen von Schlupflöchern im EU-Emissionshandel auf. Weitere „Partner“: die Airline Emirates, wohl als Vertreter der Branche mit den am schnellsten steigendem Klimagas-Ausstoß. BMW und Opel – als Kämpfer für neue Formen der Mobilität? Da auch der polnische Kohlekonzern PGE mit an Bord ist, verstand es sich wohl von selbst, dass das polnische Wirtschaftsministerium zeitgleich mit dem Klimagipfel noch eine internationale Kohle-Konferenz in Warschau organisiert.

Und Polen ist nur ein beliebiges Beispiel wie die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen hierzulande zeigen. Den kriselnden Energiekonzernen springen die zukünftigen Koalitionäre zur Seite, indem sie den Ausbau der erneuerbaren Energien begrenzen wollen und Kohlekraftwerke in Entwurf der Koalitionsvereinbarung für „auf absehbare Zeit unverzichtbar“ erklären. Hannelore Kraft, die SPD-Verhandlungsführerin für die Energiewende, verdiente sich so schon den Beinamen „Kohle-Kraft“, der Hashtag #kohlelore erfreut sich auf Twitter derzeit großer Beliebtheit. Auf Transparenten von protestierenden Umweltverbände vor dem derzeit laufenden SPD-Parteitag hieß es angelehnt an den SPD-Wahlkampfslogan: „Wer entscheidet? WIR oder die Kohlelobby?“

DIE LINKE kämpft gegen einen Rollback bei der Energiewende. Auch um die Macht der Konzerne zu brechen, wollen wir einen geordneten Ausstieg aus der Kohleverstromung durch ein Kohleausstiegsgesetz sicherstellen. Ein solches Gesetz soll den Neubau von Kohlekraftwerken verbieten und analog zum Atomausstieg feste Restlaufzeiten für die bestehenden Kohlekraftwerke festschreiben. Dies würde auch Planungssicherheit für eine soziale Gestaltung des Strukturwandels in den Braunkohlerevieren und an den Kraftwerksstandorten geben.

Die Energiewende wird nicht in den Konferenzsälen dieser Welt, in Warschau oder anderswo herbeigeredet werden können. Energiewende und Klimagerechtigkeit müssen vor Ort – im rheinischen und Lausitzer Braunkohlerevier, in Berlin und Brüssel – gegen die massiven Interessen der „alten“ Energiewirtschaft erstritten werden. Im Parlament und auf der Straße. Am Samstag, den 30. November 2013 wollen wir daher mit vielen tausend Menschen in Berlin demonstrieren – und das Kanzleramt umzingeln. Ganz nach dem Motto der Demo: „Sonne & Wind statt Fracking, Kohle und Atom.“