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"Keine Waffenexporte mehr an Menschenrechtsverletzer"

Interview der Woche von Jan van Aken,

Jan van Aken, seit 2009 Mitglied des Bundestages für die Fraktion DIE LINKE, über die Legende, dass deutsche Rüstungsexporte besonders scharf kontrolliert werden, den Panzerdeal mit Saudi-Arabien, das Schweigen der Bundeskanzlerin sowie die Notwendigkeit gesetzlich festgelegter Verbote für deutsche Waffengeschäfte


  Panzerdeals mit Saudi-Arabien, deutsche Sturmgewehre tauchen in Libyen auf – in dieser Sitzungswoche bringt die Fraktion DIE LINKE 16 Anträge gegen Rüstungsexporte in den arabischen Raum ein und lässt namentlich darüber abstimmen. Was bezwecken Sie damit?    Jan van Aken: Deutschland ist weltweit der drittgrößte Exporteur von Militärgütern. Rund 140 Staaten sind ganz legal Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. Das wollen wir ändern. Mein Ziel ist, dass Deutschland überhaupt keine Waffen mehr exportiert. Ein erster Schritt dahin wäre es, nicht mehr an Menschenrechtsverletzer oder in Kriegsregionen zu verkaufen.    Anfang Juli kam heraus, dass die Bundesregierung die Lieferung von bis zu 270 Panzern des Typs "Leopard 2“ nach Saudi-Arabien zulässt. Verstößt sie damit gegen die Rüstungsexportrichtlinien?   Nein – das Schlimme ist ja gerade, dass all diese Waffenverkäufe legal sind. Es ist eine Legende, dass Deutschland Rüstungsexporte besonders streng kontrolliert. Im Gegenteil: Fast jede deutsche Waffe darf in fast jedes Land der Welt geliefert werden.    Die Bundeskanzlerin hat sich bis heute zu den Details des Panzerdeals nicht geäußert. Diese seien "aus gutem Grund geheim". Was hat die Kanzlerin zu verschweigen?    Auch Frau Merkel weiß, dass Waffengeld schmutziges Geld ist, an dem Blut klebt. Deshalb wollen sie möglichst wenig Öffentlichkeit bei diesen Waffendeals haben. Diesmal hat das ja nun nicht geklappt. Und wir werden auf jeden Fall dran bleiben.    Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates, in dem die Entscheidung für den Export gefallen ist, sind geheim. Entspricht das Ihren Vorstellungen einer modernen Demokratie?   Nein, absolut nicht. Nur eine offene Demokratie ist eine starke Demokratie. Deshalb fordern wir, dass alle Informationen über Waffendeals sofort öffentlich gemacht werden müssen. Aber das allein reicht nicht. Wir brauchen auch echte Exportverbote, bei denen die Genehmigungsbehörden gar keinen Spielraum mehr haben.    Wie könnten solche Verbote aussehen?   Am Ende wollen wir, dass Deutschland gar keine Waffen mehr exportiert. Aber am dringendsten wären aus meiner Sicht drei Punkte: Erstens, kein Export von Sturmgewehren und Maschinenpistolen - ohne jede Ausnahme. Denn diese Kleinwaffen töten mehr Menschen in Kriegen als jede andere Waffe. Zweitens, kein Verkauf von Waffenfabriken an andere Länder, wie zuletzt eine Fabrik zur Produktion von G36-Sturmgewehren nach Saudi-Arabien. Und drittens natürlich keine Waffenexporte mehr an Menschenrechtsverletzer.    Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) hält Saudi-Arabien für einen "Stabilitätsanker" in der Region. Ist Saudi-Arabien ein wichtiger Partner für Deutschland?    Herr de Maiziere hat den Schuss nicht gehört. Der Diktator Mubarak in Ägypten war auch ein "Stabilitätsanker“. Will diese Bundesregierung wirklich weiter mit Folterern und Unterdrückern kuscheln, nur damit das Öl sicher fließt? Ich finde das abscheulich.    Anfang September tauchten G36-Sturmgewehren der Firma Heckler & Koch in Libyen auf. Die Firma bot daraufhin an, eine Expertenkommission nach Libyen zu schicken, um zu klären, auf welchem Weg die Gewehre dorthin gelangt seien. Kam etwas dabei heraus?    Bis jetzt noch nichts. Ich hatte der Firma angeboten, mit nach Libyen zu fahren. Denn ohne Beteiligung unabhängiger Experten ist jede firmeneigene Untersuchung wenig vertrauenserweckend. Das hat Heckler & Koch abgelehnt und bislang meines Wissens noch niemand nach Libyen geschickt. Sie behaupten jetzt, dass die Gewehre wahrscheinlich über Ägypten nach Libyen gelangt seien - Beweise dafür haben sie noch nicht vorgelegt.    Deutschland hat in den vergangenen Jahren eher mehr  Waffen verkauft als weniger. Nach Angaben des Stockholmer Konfliktforschungsinstituts SIPRI hat sich der Weltmarktanteil deutscher Waffen zwischen 2005 und 2009 sogar auf mehr als zehn Prozent verdoppelt. Wie den Trend umdrehen?    Das geht nur über klare Verbote. Bislang gibt es nur rechtlich unverbindliche "Politische Grundsätze“ zu Rüstungsexporten. Die haben bislang kaum einen Waffenexport verhindert. Deshalb fordern wir gesetzlich festgelegte Verbote. Damit künftig keine Bundesregierung mehr mal so eben in geheimer Sitzung über 200 Panzer an Diktaturen liefern kann. 

linksfraktion.de, 17. Oktober 2011