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Kein Bezug zum NSU: Auch der MAD schreddert Akten, vergisst aber seine Akte zu Uwe Mundlos

Nachricht,

Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses am 8. November

Von Gerd Wiegel

Mal wieder ein Geheimdiensttag im NSU-Untersuchungsausschuss: Am 8. November wurden mit den Zeugen Oberst a.D. Dieter Huth und Kapitän zur See Olaf Christmann der frühere und der aktuelle Leiter der Beschaffung der Abteilung „Extremismus/Terrorismusabwehr“ im Militärischen Abschirmdienst (MAD) als Zeugen gehört. Zentral aus Sicht der LINKEN waren dabei folgende Themen: Der Umgang des MAD mit den zahlreichen Hinweisen die im Amt zum Trio Mundlos, Bönhardt, Zschäpe nach ihrem Abtauchen 1998 vorlagen; die Befragung des MAD von Mundlos im Jahr 1995 und die fehlende Information dazu an Ausschuss und Öffentlichkeit; die Einschätzung und der Umgang der Bundeswehr mit Nazis und schließlich – wie fast immer wenn es um die Dienste geht – das Thema Aktenvernichtung.

Der MAD, so wurde von Abgeordneten aller Fraktionen eingeschätzt, führt die besten und aussagekräftigsten Akten zu Nazis im Umfeld der Bundeswehr, allein, seine Erkenntnisse führten über Jahre zu keinerlei Konsequenzen. Die Affinität von Nazis zum Militär ist offensichtlich und die Ausbildung an Waffen ein begehrtes Ziel. Schon aus diesem Grund hat es der MAD immer wieder mit dieser Klientel zu tun. Jedoch, so wurde es von den Zeugen bestätigt, war die Problemwahrnehmung in der Truppe in den neunziger Jahren so gut wie nicht vorhanden. Auch Hartcore-Nazis wurden in die Bundeswehr aufgenommen, konnten in der Truppe bleiben und mit Waffen und Sprengstoff trainieren. Ihre Gesinnung stand selbst einer Beförderung nicht im Wege. Wer sich an die Debatten zur Verherrlichung der Wehrmacht im Rahmen der Bundeswehr, zur Einladung an den Naziterroristen Manfred Roeder durch die Bundeswehr und an die zahlreichen Nazivorfälle aus den 1990er Jahren erinnert, den wunderten auch die Aussagen der Zeugen zu diesen Komplex nicht.

Auch Uwe Mundlos diente zwischen 1994 und 1995 in der Truppe. Seine Nazigesinnung war dem MAD bekannt, dennoch wurde er erst ganz am Ende seiner Wehrdienstzeit vom MAD vernommen. Dieses Vernehmungsprotokoll sorgte im September 2012 für viel Wirbel, denn bis dahin blieb dem Ausschuss und der Öffentlichkeit unbekannt, dass es einen Kontakt des MAD zu Mundlos gegeben hatte und dieser sogar gefragt wurde, ob er Informant des MAD werden wolle (was er verneinte). Seit März 2012 war dem MAD bekannt, dass es ein solches Protokoll gab, ohne dass man es dort für nötig befand, dies auch mitzuteilen. Deutlich wurde in der Befragung der Zeugen, dass man im MAD und offensichtlich auch im Verteidigungsministerium die Bedeutung des Falls auch im März 2012 noch völlig falsch einschätzte.

Auch mehr als ein Jahrzehnt zuvor, zwischen 1998 und 2000, wurde die Brisanz von Informationen seitens des MAD falsch eingeschätzt: Aus den Akten wird deutlich, dass im MAD eine ganze Reihe von Berichten und Aussagen zum abgetauchten Trio vorlagen. Einschätzungen, die für die Ergreifung der drei wichtig gewesen wären. Laut MAD-Gesetz hätte der Dienst seine Erkenntnisse auch an die Ermittlungsbehörden weiterleiten müssen. Dies tat man jedoch nicht und gab sie nur ans Bundesamt für Verfassungsschutz bzw. ans Landesamt in Thüringen. Hier versandeten sie und blieben für die Ermittlungen ohne Wert, wie man im Schäferbericht detailliert nachlesen kann.

Inzwischen, so musste man lernen, scheint es üblich zu sein, dass die Geheimdienste brisante Akten schreddern um sich nachher ahnungslos zu stellen. Auch im MAD kam es nach dem November 2011 zu Aktenvernichtungen und erst im Juli 2012 wurde ein Moratorium für solche Vernichtungen erlassen. Wie immer in solchen Fällen sagen die Zeugen, die Akten hätten keinerlei Bezug zum NSU gehabt und wie immer können sie im Ausschuss kein Kriterium nennen, nach dem sie einen solchen Bezug ausschließen wollen. Im Falle des MADs waren u.a. Akten zur Fränkischen Aktionsfront (FAF), einer Nachfolgeorganisation der Fränkischen Heimatfront betroffen. Alle, die sich intensiv mit dem Komplex NSU beschäftigt haben wissen, dass das Kerntrio des NSU enge Kontakte in die fränkische Neonaziszene hatte und natürlich auch zu Aktivisten der Fränkischen Aktionsfront (FAF). Einer der führenden Aktivisten der Fränkischen Aktionsfront, Matthias Fischer, findet sich sogar in der Adressliste von Uwe Mundlos, die im Januar 1998 von der Polizei in Jena beschlagnahmt wurde. Fünf von zehn Morden wurden in Bayern, allein drei in Nürnberg begangen. Bis heute fragen sich Ermittler und Öffentlichkeit, wo die Anknüpfungspunkte des Trios in Bayern und Franken lagen. Für den MAD spielte das aber offensichtlich keine Rolle.

Die Befragung von Vertretern des MAD wird fortgesetzt. Es wird dann vor allem um die Frage gehen, wie weit die politische Führung im Verteidigungsministerium von den Vorgängen um die Aktenvernichtung und die Mundlos-Akte wussten und was dort unternommen bzw. nicht unternommen wurde, um zur Aufklärung beizutragen.