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Jugendarbeitslosigkeit europaweit bekämpfen

Im Wortlaut,

Von Agnes Alpers, Sprecherin für berufliche Aus- und Weiterbildung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag




Die Lage ist ernst, wenn nicht gar dramatisch. In der Europäischen Union ist jede/r Vierte unter 25 Jahren arbeitslos. 7,5 Millionen junge Menschen befinden sich weder in Arbeit noch in Ausbildung. Und fast ein Drittel davon ist seit mehr als 12 Monaten arbeitslos. Der Begriff einer "verlorenen Generation" hallt durch Europa.

Besonders verheerend ist die Situation in Griechenland und Spanien. Dort sind infolge der globalen Finanzkrise und der anschließenden rigiden Kürzungspolitik die Beschäftigungssysteme kollabiert – mit fatalen Folgen vor allem für junge Menschen. Die Jugendarbeitslosigkeit hat sich in den vergangenen fünf Jahren nahezu verdoppelt. Inzwischen sitzt mehr als die Hälfte aller in Griechenland und Spanien lebenden Menschen unter 25 Jahren auf der Straße. Die sozialen und finanziellen Folgen sind unvorhersehbar. Die Situation gleicht einem Pulverfass.

Warum erst jetzt?

Die Europäische Union als auch die nationalen Regierungen blieben lange untätig. Zu lange! Dabei hatte der Europäische Rat bereits 2005 für verlässliche Maßnahmen gegen die vor allem im südeuropäischen Raum stets hohe Jugendarbeitslosigkeit angeregt. Im Januar 2013 hat sich das Europäische Parlament nun für die Einführung einer Jugendgarantie ausgesprochen. Danach soll allen jungen Menschen bis 25 Jahren sowie Studienabgänger/-innen binnen vier Monaten ein Ausbildungsplatz, eine Weiterbildungsmaßnahme, ein Praktikumsplatz oder ein hochwertiger Arbeitsplatz angeboten werden. Und endlich soll die Jugendgarantie finanziell unterfüttert werden, mit Finanzierungsinstrumenten der europäischen Kohäsionspolitik und des Europäischen Sozialfonds (ESF). Insgesamt sechs Milliarden Euro. Es bleibt die Frage: Warum erst jetzt?

Unterstützt werden sollen insbesondere die Länder, in denen junge Menschen die geringsten Perspektiven haben. Die EU verbindet damit die Hoffnung, jungen Menschen neue Chancen auf berufliche und soziale Teilhabe zu eröffnen. Allerdings ist das Konzept der Jugendgarantie lediglich eine Empfehlung der Kommission an die Mitgliedsländer der EU. Das heißt, nicht nur die südeuropäischen Krisenländer wie Griechenland und Spanien sind gefordert; jedes Land muss zügig handeln, damit die Jugendgarantie europaweit eingeführt wird. Denn das Ziel, soziale Ausgrenzung zu stoppen und gleichwertige Lebensverhältnisse in Europa zu schaffen, betrifft alle. Auch Deutschland steht in der Verantwortung. Denn hierzulande werden jährlich Hunderttausende ohne Perspektive zurückgelassen.

"Jugendgarantie" auch in Deutschland längst überfällig

Die scheinbar geringe Jugendarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik ist zwar zu einem Großteil dem dualen Ausbildungssystem zu verdanken. Doch die Statistik spiegelt nicht die ganze Wahrheit wider. Jährlich erhalten knapp 300.000 junge Menschen keinen Ausbildungsplatz. Sie werden aber trotzdem als "versorgt" gezählt, da sie in Maßnahmen des sogenannten Übergangssystems landen. Einen Berufsabschluss erhalten die jungen Menschen dort nicht, überhaupt gelingt zu wenigen von dort der Sprung in eine anerkannte Ausbildung. Dies hat in den vergangenen 20 Jahren dazu geführt, dass mittlerweile 1,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren in der Bundesrepublik ohne Berufsabschluss sind. Nimmt man die Menschen bis 34 Jahre hinzu, sind es insgesamt schon 2,2 Millionen Menschen. Die Hälfte dieser Menschen ist nicht erwerbstätig. Auch sie brauchen eine Garantie auf Ausbildung und Beschäftigung. Doch statt zu handeln, bleibt die Bundesregierung seit Jahren untätig. Eine "Jugendgarantie" ist also auch in Deutschland längst überfällig.

Doch auch Europas Jugend braucht Deutschlands Unterstützung und Solidarität. Daher gilt es, insbesondere Länder wie Griechenland und Spanien beim Aufbau eines Ausbildungssystems, das sich durch ein gutes Theorie-Praxis-Verhältnis auszeichnet und konkrete Anschlussperspektiven aufweist, zu unterstützen. Junge Menschen brauchen in erster Linie Perspektiven vor Ort, doch auch der Austausch innerhalb der EU sollte unterstützt werden. Das bedeutet jedoch nicht, junge Menschen aus den Krisenländern in die Arbeitsmärkte Europas zu verschieben, um sie in Problembranchen mit hoher Nachfrage an billigen Arbeitskräften einzusetzen beziehungsweise mit schlecht- oder unbezahlten Praktika abzuspeisen. Das muss unbedingt verhindert werden.

Fakt ist: Um eine "Jugendgarantie" umzusetzen, müssen noch viele Hürden überwunden werden. Ihr Erfolg hängt immer auch davon ab, inwieweit die Rahmenbedingungen an eine gute Ausbildung wie Qualität, Vergütung und Anschlussperspektiven erfüllt werden. Gleichzeitig ist die Idee zukunftsweisend. Endlich wird in Europa das Problem ernst genommen, dass wir verlässliche Perspektiven für die Jugend brauchen. Nun muss auch in Deutschland verlässlich gehandelt werden, statt die Verantwortung zu kaschieren oder zu verschieben. Wir als LINKE bleiben dabei: Ein Sofortprogramm für Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung auf den Weg bringen, das Recht auf Ausbildung und eine solidarische Umlagefinanzierung einführen sowie Qualität in und Übernahme nach der Ausbildung sichern. Das schafft eine Garantie auf Perspektive für die Jugend in Deutschland und Europa.

linksfraktion.de, 14. Februar 2013