Betreuungsschlüssel in den Jobcentern schlechter als offiziell ausgewiesen
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In den Jobcentern werden deutlich mehr Erwerbslose von einem Arbeitsvermittler betreut als offiziell ausgewiesen. Sabine Zimmermann hat bei der Bundesagentur für Arbeit gefragt, wie hoch der Betreuungsschlüssel in den Jobcentern ist, wenn alle Erwerbslosen berücksichtigt und ausschließlich das Personal einbezogen wird, das auch tatsächlich mit der Vermittlung beschäftigt ist. Demnach kommen auf eine Vermittlerin bzw. einen Vermittler bei den unter 25-Jährigen durchschnittlich 145 Erwerbslose, bei den über 25-Jährigen durchschnittlich 195 Erwerbslose. Diese Zahlen liegen deutlich über den gesetzlichen Orientierungswerten, die 1:75 bzw. 1:150 betragen.
Der bisher offiziell ausgewiesene durchschnittliche Betreuungsschlüssel liegt bei 1:70 und 1:147. In diese Berechnung wird jedoch auch Personal einbezogen, das nicht in der Vermittlung tätig ist. Zugleich wird ein Teil der Erwerbslosen herausgerechnet. Grundlage dieser verzerrten Berechnung ist ein Rahmenkonzept zur Personalbemessung zwischen Arbeitsministerium und Bundesagentur, das derzeit überarbeitet wird.
“Individuelle Betreuung ist das A und O einer guten Arbeitsförderung. Massenabfertigungen mit Scheinmaßnahmen müssen endlich Geschichte sein. Die Jobcenter sind personell unterfinanziert. Wir brauchen mehr gut qualifizierte Arbeitsvermittler, die zusammen mit den Betroffenen Wege aus der Arbeitslosigkeit suchen. Geschönte Betreuungsschlüssel verdecken die Probleme”, erklärt Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag: “Bisher wird der Personalschlüssel von oben nach unten verkündigt und passend gemacht. Eine vernünftige Personalplanung muss aber die Bedarfe, die für eine gute, individuelle Betretung nötig sind, auf der Arbeitsebene ermitteln. Die Einschätzung der Vermittler ist hier zentral. Regierung und Bundesagentur für Arbeit sind gefordert endlich tätig zu werden. Jobcenter dürfen keine Verwahrstationen sein, Personal nicht weiter verbrannt werden. Der arbeitsmarktpolitische Kahlschlag der vergangen Jahre muss gestoppt werden.”
Die derzeitige Berechnung des Personalschlüssels ist ein mehr oder weniger willkürliches Verfahren, das zuletzt im Januar 2013 zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Arbeitsministerium bestätigt wurde. Seitens der Mitarbeiter wird auch Personal berücksichtigt, das gar nicht in der Vermittlung tätig ist. So werden anteilsmäßig Beschäftigte aus dem Kundenportal (Eingangsbereich/Empfang und ServiceCenter) und zur Hälfte die Teamleiter/innen eingerechnet. Beide Gruppen ergeben 6.645 Personalstellen oder 11 Prozent der bundesweit angenommenen Mitarbeiterkapazitäten (Dezember 2014). Seitens der Erwerbslosen werden dagegen Aufstocker mit einem Einkommen über 800 Euro nicht berücksichtigt. Das waren zuletzt bundesweit ca. 68.000 (Jahresdurchschnitt August 2014). Bei den unter 25-Jährigen werden zusätzlich 229.000 nicht berücksichtigt. Das ist fast jeder zweite Erwerbslose dieser Altersgruppe (41,5%). Alle nicht berücksichtigen Personengruppen müssen aber von den Mitarbeiter/innen betreut und arbeitsmarktpolitisch gefördert werden.
Im Bereich der Leistungsgewährung erhöht sich der durchschnittliche Betreuungsschlüssel von 1:111 auf 1:131, wenn bei der Berechnung alle Erwerbslosen und nur die tatsächlich tätigen Mitarbeiter herangezogen werden.